In dem Projekt wird die Geschichte der Humangenetik in Deutschland nach 1945 im wissenschaftlichen nationalen sowie internationalen Kontext untersucht. Die Darstellung des Faches und dessen Abgrenzung gegenüber der Zeit vor 1945, in der Eugenik (Rassenhygiene) international im Vordergrund stand, ist Ziel des Vorhabens. Obwohl grundlegende Kenntnisse der Vererbung früher bekannt waren, gelten die 1866 veröffentlichten Untersuchungen G. Mendels über Pflanzenhybride als Beginn der Vererbungswissenschaft. Mit deren Wiederentdeckung im Jahr 1900 bildeten die Mendelschen Regeln eine Grundlage der Humangenetik. Als interdisziplinäre Wissenschaft beschäftigt sich diese mit dem Erbgut des Menschen, wie der Zytogenetik (begründet 1879 durch den Biologen W. Flemming) und der Molekulargenetik (1944 Nachweis der DNA als Träger der Erbinformation durch O. Avery). Mit der Beschreibung der dreidimensionalen Struktur der DNA durch J. Watson und F. Crick begann die Entzifferung des Erbgutes, die im Human Genome Project mündete. Das Zeitalter der Molekulargenetik wurde vor allem von angloamerikanischen Forschern dominiert. Die Frage nach dem Beitrag der deutschen Humangenetiker zur Entwicklung ihres Faches nach 1945 soll im Projekt beantwortet werden. Wesentlich dabei ist die Dar-stellung der personalen und inhaltlichen Kontinuitäten und Brüche in der Humangenetik vor und nach 1945. Ein weiterer Aspekt ist der Einfluss der politischen Instrumentalisierung des Faches im Dritten Reich im Rahmen von Eugenik und Rassenhygiene auf die weitere Entwicklung. Für die Etablierung des Faches ist die Professionalisierung (Zeitschriften, Fachgesellschaften) und Institutionalisierung (Ordinariate für Humangenetik) entscheidend. Weiterhin interessiert die Beteiligung der Human-genetik an den gesellschaftspolitischen Fragen nach 1945 (Atomenergie, §218, Contergan, Pränataldiagnostik) bis in die 1980er Jahre.

Projektleiterin:Dr. Heike Petermann M.A.

Laufzeit: 01.01.2011 bis 31.12.2012