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Am Anfang stand eine Schiffsstrandung: Herzgenetik-Professor Schulze-Bahr löst Rätsel der „Schenkelblockierung“

Prof. Eric Schulze-Bahr

Münster (mfm/tw) - Es dauerte lange, bis alle Zusammenhänge klar waren. Zunächst strandete 1796 ein portugiesisches Segelschiff am Kap der Guten Hoffnung. An Bord war - was im Nachhinein rekonstruiert werden konnte - der Urahn einer sehr großen Familie mit einer medizinischen Besonderheit: Von den rund 240 bekannten Nachfahren des Mannes haben viele eine angeborene Erregungsleitungsstörung am Herzen, die so genannte progressive Schenkelblockierung. Sie macht schon früh einen Herzschrittmacher nötig. Dem Medizinprofessor Dr. Eric Schulze-Bahr von der Universität Münster ist es nun gelungen, das dafür verantwortliche Krankheitsgen zu identifizieren.
Die Funktionsstörung zeigt sich im Elektrokardiogramm (EKG), mit dem die elektrischen Aktivitäten des Herzmuskels visualisiert werden, als Blockade der Erregungsleitung. Obgleich das Herz in äußerer Gestalt und Pumpfunktion unauffällig ist, kann die Schenkelblockierung zu spontaner Bewusstlosigkeit führen, selten auch zum plötzlichen Herztod. Ein Drittel der 240 untersuchten Familienmitglieder ist klinisch betroffen und wird wegen der Erregungsleitungsstörung mit einem Herzschrittmacher behandelt. "Ab dem frühen Alter reicht der eigene Herzrhythmus bei den Patienten einfach nicht mehr aus", erklärt Prof. Dr. Eric Schulze-Bahr: "Der natürliche Taktgeber muss durch künstlich erzeugte, elektrische Impulse unterstützt werden." Im Schwerpunkt "Genetik von Herzerkrankungen" hat der Forscher mit seiner münsterschen Arbeitsgruppe nun eine neue, seltene Genvariante als Ursache der Erkrankung identifizieren können. Das Projekt, bei dem in Münster insbesondere Ellen Schulze-Bahr und Dr. Birgit Stallymeyer maßgeblich beteiligt waren, wurde gefördert vom Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) der Medizinischen Fakultät.
Die betroffene Familie rückte schon in den 1970er Jahren in den Fokus der Medizin, als umfangreiche Stammbaumuntersuchen an der Universität Stellenbosch in Südafrika zunächst die erblichen Zusammenhänge zeigten. Obgleich seit rund zehn Jahren bekannt ist, dass die genetische Ursache der Erkrankung auf dem Chromosom 19 liegen muss, konnte das entsprechende Gen zunächst nicht gefunden werden. Um das Rätsel zu lösen, nahmen die Münsteraner Forscher Kontakt zu ihren südafrikanischen Kollegen auf. Sie erhielten zwei Blutproben von erkrankten Personen, analysierten zwei neue Gene auf dem Chromosom 19 - und trafen mit dem TRPM4-Gen ins Schwarze: In beiden Proben zeigte sich eine genetische Veränderung, die so ungewöhnlich war, dass Blutproben des gesamten Stammbaumes nachgefordert wurden. Der Befund: Die Genveränderung ist eindeutig mit der Erkrankung verknüpft, da alle Patienten Träger der Genvariante sind, ihre gesunden Verwandten hingegen jedoch nicht.
Durch die aktuellen Ergebnisse und in Zusammenarbeit mit einer Arbeitsgruppe des Zentrums für Molekulare Neurobiologie Hamburg des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf konnte gezeigt werden, dass den Veränderungen in diesem Gen - das bestimmte Proteine, so genannte Ionenkanäle, synthetisiert - bei der Erregbarkeit von Herzzellen eine entscheidende Rolle zukommt. Die Erkenntnisse lassen hoffen, dass durch gezielte medikamentöse Beeinflussung des TRPM4-Ionenkanals zukünftig die Notwendigkeit der Herzschrittmacherpflicht behandelt werden kann, so Schulze-Bahr. Hierzu seien weitere, experimentelle Daten und Ergebnisse notwendig.

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