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„Es sind die Menschen, die meine Forschung besonders machen“: Zellbiologin Maria Florencia Sánchez ist leidenschaftliche Wissenschaftlerin

Emmy-Noether-Nachwuchsgruppenleiterin Dr. Maria Florencia Sánchez arbeitet seit einigen Monaten am European Institute for Molecular Imaging (Foto: Uni MS/J. Wulf)

Münster (upm) - Das Büro von Dr. Maria Florencia Sánchez liegt im ersten Obergeschoss des Multiscale Imaging Centres (MIC) in der Röntgenstraße. Hier untersucht sie seit Mai dieses Jahres, wie Zellen kommunizieren. Bei Betreten des hellen Raums fallen sofort die knalligen biomedizinischen Mikroskopie-Aufnahmen von Zellen in verschiedenen Formen und Farben an den Wänden ins Auge. „Die sind nicht von mir, sondern von meinen Kollegen geliehen“, sagt die Zellbiologin fast entschuldigend. „Aber jetzt bin ich dran.“ Denn als Emmy-Noether-Nachwuchsgruppenleiterin am European Institute for Molecular Imaging (EIMI) der Universität Münster richtet sie aktuell ihre Arbeitsgruppe ein und kann es kaum abwarten, loszulegen.

Die 40-Jährige ist gekommen, um zu bleiben – samt Mann und achtjährigem Sohn. „Ich habe schon einige Stationen in Deutschland, etwa Frankfurt und Tübingen, und weltweit hinter mir. Doch in Münster möchte ich langfristig bleiben.“ Sie ist sich sicher, dass solche Ortswechsel für die wissenschaftliche Laufbahn wichtig sind, da sie die Unabhängigkeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern stärken. Darüber hinaus haben die unterschiedlichen Stationen und akademischen Landschaften sie geprägt.

Ihre Begeisterung für die Wissenschaft hat Maria Florencia Sánchez schon früh entdeckt. Bereits zu Schulzeiten interessierte sie sich für „ungelöste Rätsel und Fragen, auf die es bislang keine Antworten gibt“. Zunächst wollte sie Archäologin werden. Auf der weiterführenden Schule wuchs ihr Interesse an Chemie und Mikrobiologie. „Hier standen naturwissenschaftliche Themen im Fokus und wir hatten die Möglichkeit, viele spannende Experimente im Labor zu machen – von da an hatte ich Feuer gefangen und mich immer tiefer eingearbeitet“, beschreibt sie. Kein Wunder also, dass sie sich für ein Chemiestudium einschrieb und später den Schwerpunkt Biotechnologie wählte.

Ihr Studium und ihre Promotion schloss Maria Florencia Sánchez an der Universidad Nacional de Córdoba in Argentinien ab, der ältesten Universität des Landes und einer der ältesten in Lateinamerika. Nach der Universidad de Buenos Aires ist sie mit circa 115.000 Studierenden die größte Universität Argentiniens. Ihr rund 12.000 Kilometer entferntes Heimatland vermisst die Biologin kaum, sehr wohl jedoch ihre Familie. „Nach meiner Promotion stand für mich fest, dass ich nach Deutschland möchte – Kontakte hatte ich bereits über meine Doktormutter. Hier stehen mir viele Türen offen: die Ausstattungen der Arbeitsgruppen, zahlreiche Förderprogramme und die Forschungsinfrastruktur bieten exzellente Voraussetzungen für meine Arbeit.“

Doch nicht nur die Forschungslandschaft sprach für Deutschland. Aspekte wie das Gesundheits- und Bildungssystem sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind für Maria Florencia Sánchez ebenso wichtig. „Das Thema liegt mir sehr am Herzen. Denn noch immer ist eine Karriere für Frauen in der Wissenschaft mit vielen Hürden verbunden“, betont sie. Unterstützung erhielt sie schon immer von ihrem Mann, der den Wechsel in eine neue Stadt stets mittrug. Aber auch das Kollegen-Netzwerk und vor allem ihr damaliger Mentor in Argentinien haben sie stets bestärkt, ihrer Leidenschaft zu folgen. Bereits in Frankfurt hat sie von ihrem Mentor und ihren engen Kollegen wertvolle Führungsqualitäten erlernt, die ihr geholfen haben, die nächsten Schritte in ihrer akademischen Laufbahn zu planen und umzusetzen.

Mit der Emmy-Noether-Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die es herausragenden Wissenschaftlern ermöglicht, sich durch die Leitung einer eigenen Forschungsgruppe für eine Professur zu qualifizieren, kann sie sich nun in Münster wissenschaftlich „austoben“: Das MIC und die direkte Nachbarschaft zum Center for Soft Nanoscience, dem CeNTech, dem Zentrum für Molekularbiologie der Entzündung (ZMBE) oder dem Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin bieten exzellente Bedingungen, um Spitzenforschung auf höchstem Modernitätsniveau zu ermöglichen und mit Kollegen zusammenzuarbeiten. „Es sind vor allem die Menschen, die meine Forschung zu etwas Besonderem machen. Der Austausch über Fachkulturen hinaus ist extrem wichtig, um die Komplexität der Forschungsfragen umfassend zu untersuchen“, erläutert Maria Florencia Sánchez. „Außerdem macht mir das freundschaftliche Miteinander den Start in Münster sehr leicht.“

Den wissenschaftlichen Erfolg und das Durchhaltevermögen in dieser Branche verdankt Maria Florencia Sánchez unter anderem kollegialen Netzwerken und Mentoren. Neben ihrer Expertise in der Nanotechnologie, Zellbiologie und Biophysik möchte sie ihre Erfahrungen jenseits des Fachlichen an Studierende und junge Wissenschaftler weitergeben – etwa den Umgang mit Misserfolgen und Frust sowie wichtige Stellschrauben für die eigenverantwortliche Karriereplanung. „Ich möchte auf Augenhöhe mit meinen Doktoranden und Kollegen sprechen – hierarchische Strukturen sind in der Forschung für mich weniger wichtig. Was zählt ist das Ergebnis“, sagt sie. So bleibt es spannend, welche Mikroskopiebilder zukünftig aus ihrer Gruppe die Wände des MIC schmücken.

Die Arbeitsgruppe Transmembran-Signalübertragung

Das Team erforscht, wie Zellen miteinander kommunizieren, wie sie ihre Umgebung wahrnehmen und darauf reagieren. Dabei empfangen und verarbeiten Zellen über Rezeptoren in der Zellmembran chemische und mechanische Signale. Die Gruppe entwickelt Instrumente, um solche Mechanismen der Zell-Zell-Kommunikation zu visualisieren und zu untersuchen, wie die Clusterbildung von Rezeptoren das Verhalten von Zellen beeinflussen. Ein besonderes Interesse gilt den sogenannten Plexinrezeptoren, die die Form und Beweglichkeit von Zellen während der Entwicklung des Nerven- und Herz-Kreislauf-Systems regulieren und eine wichtige Rolle bei vielen pathophysiologischen Prozessen spielen, darunter Krebs sowie immunologische und neurologische Erkrankungen. Zum Einsatz kommen dabei vielseitige multidisziplinäre Ansätze: etwa aus den Bereichen Nanolithographie, 3D-Druck, DNA-Origami, Zell- und Molekularbiologie und der Optogenetik bis hin zur modernen Mikroskopie von lebenden Zellen.   Kathrin Kottke (wissen/leben 6/2024)