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Wie entwickelt sich das Nervensystem? CiM-Studie zeigt Rolle eines Proteins beim Abbau der Nervenfortsätze

Links: Nervenzelle einer Fruchtfliegenlarve. Mitte: Bei der verpuppten Larve bauen sich die Zellfortsätze im Normalfall ab. Rechts: Fehlt das Protein PAR-1, ist der Abbau der Dendriten gestört (Abb.: S. Herzmann et al./Embo Journal)

Münster(upm) - Nervenzellen gehen mit ihren langen Fortsätzen, den Axonen und Dendriten, Verbindungen untereinander ein und leiten so Signale weiter. Nicht nur bei Krankheiten des Nervensystems, sondern auch, wenn sich ein Organismus normal entwickelt, verschwinden einige dieser Verbindungen wieder. Doch welche Mechanismen stecken dahinter? Wissenschaftler des Exzellenzclusters "Cells in Motion" der Universität Münster haben nun einen physiologischen Ablauf entdeckt, der beim Abbau von neuronalen Zellfortsätzen eine wichtige Rolle spielt. Das Protein PAR-1 löst dabei eine Reihe aufeinanderfolgender Signale aus, und dem Zerfall des Zellskeletts kommt eine Schlüsselfunktion zu. Die Studie ist aktuell im Fachmagazin "Embo Journal" erschienen.Manche Verknüpfungen zwischen Nervenzellen werden im Laufe der Entwicklung wieder abgebaut, weil sie keine spezifische Funktion ausgebildet haben. Dabei bilden sich die Axone und Dendriten zurück, mit denen sich Nervenzellen verbinden. Wissenschaftler nennen diesen Abbau von Zellfortsätzen Pruning. "Das ist ein interessanter Entwicklungsmechanismus, der noch nicht gut verstanden ist", sagt Dr. Sebastian Rumpf. Der Biologe leitet am Exzellenzcluster eine Nachwuchsforschergruppe, die sich darauf spezialisiert hat, das Pruning in der Fruchtfliege Drosophila melanogaster zu untersuchen. "Wir sehen uns einen Typ von Nervenzellen an, der während der Entwicklung spezifisch alle seine Dendriten verliert", erklärt Svende Herzmann, Erstautorin der Studie und Doktorandin der Graduiertenschule des Exzellenzclusters.Bereits seit einigen Jahren ist bekannt: Bevor die Dendriten abbrechen, bauen sich Bestandteile des Zellskeletts ab. Es handelt sich dabei um die röhrenförmigen Mikrotubuli, welche die Zellen und Dendriten stabilisieren. Sebastian Rumpf und sein Team fanden nun heraus, welche komplexen Mechanismen hinter diesem Abbau der Mikrotubuli stecken. Dazu untersuchten sie genetische Mutationen: In Nervenzellen von Fruchtfliegen, denen das PAR-1 fehlte, blieben die Mikrotubuli stabil. Der Mechanismus dahinter: PAR-1 vermindert die Aktivität des Proteins Tau, das an die Mikrotubuli bindet und sie zusammenhält. Tau hemmt seinerseits das Protein Katanin, das die Mikrotubuli zerteilt. Ist das Tau-Protein weniger aktiv, kann Katanin "zuschlagen" und es kommt zu einem Abbau der Mikrotubuli.Mithilfe der Lebendzellmikroskopie zeigten die Wissenschaftler, dass diese Prozesse in der frühen Puppenphase der Fruchtfliegen passieren. "Während die Larven noch stabile Dendriten hatten, konnten wir bereits deutliche Lücken im Zellskelett beobachten", sagt Svende Herzmann. Das Verschwinden der Mikrotubuli führte letztlich dazu, dass die dendritischen Zellfortsätze abbrachen.Die Proteine PAR-1 und Tau waren zuvor bereits in Zusammenhang mit neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer gebracht worden. Welche Relevanz diese Interaktion im gesunden Organismus hat, war bisher jedoch noch weitgehend unklar.Die neuen Ergebnisse zeigten: Wenn das Zellskelett durch PAR-1 abgebaut war, wurden die Zellfortsätze sehr schnell dünn und ihre Plasmamembranen brüchig. "Wir glauben, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen den stabilisierenden Mikrotubuli und der Zellmembran gibt", sagt Sebastian Rumpf. "Dadurch, dass wir den Signalprozess und die Mechanismen hinter dem Zerfall der Mikrotubuli besser verstehen, sind wir einen großen Schritt weitergekommen, wenn wir den Abbau von neuronalen Verbindungen untersuchen", so der Biologe. Die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung sollen den Forschern letztendlich helfen, die Entwicklung des Nervensystems besser zu verstehen. Ob es kurzfristig Anwendungen für diese Befunde gibt, ist derzeit nicht absehbar. "Aber es ist schon interessant, dass diese Proteine sowohl eine Rolle beim physiologischen als auch beim pathologischen Zerfall von Nervenverbindungen spielen", sagt Sebastian Rumpf.Link zur Originalpublikation