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Schlafforscher zur Sommerzeit: "Gegen die innere Uhr - aber auch nicht tragisch"
Münster (mfm/tw) - Eine Stunde, was ist das schon? Manchmal weniger als ein Augenblick: In der Nacht von Samstag auf Sonntag springt die Zeit direkt von 2 Uhr auf 3 Uhr. Funkuhren stellten sich automatisch um, Millionen Zeiger werden am Wochenende wieder per Hand vorgedreht. Um das Tageslicht besser auszunutzen, führten 1980 beide deutschen Staaten die Sommerzeit ein – Menschen, die ohnehin schlecht schlafen, können dadurch aus dem Takt kommen.
„Abendmenschen passen sich der Sommerzeit häufig dadurch an, dass sie die Zubettgehzeit hinauszögern“, sagt Dr. Tilmann Müller. „Das geht aber auf Kosten der Gesamtschlafdauer und führt zu einer schlechteren Befindlichkeit am Morgen“. Am Schlaflabor des Universitätsklinikums Münster erforscht der Diplom-Psychologe Schlafstörungen. Seine Einschätzung: Insbesondere schlechte Schläfer reagieren auf die Zeitumstellung mit stärker und länger anhaltenden Beschwerden. „Wir haben dazu vor einigen Jahren eine Studie durchgeführt“, so Müller: „Mehr als 40 Menschen haben für uns Schlafprotokolle in den Wochen vor und nach der Umstellung geführt. Die Einschlafdauer nach der Umstellung hat zugenommen – aber nur um durchschnittlich vier Minuten. Bereits innerhalb der ersten drei bis vier Tage gleicht sich der Körper aber dem neuen Rhythmus an.“ Sein Tipp: Morgens eine halbe Stunde Spaziergang im Freien – das verstellt die innere Uhr in die gewünschte Richtung. Und: Am Wochenende darauf auf jeden Fall den neuen Rhythmus beibehalten, sonst kommt man erneut aus dem Takt.
Schon in den beiden Weltkriegen wurde in Deutschland an der Uhr gedreht. Zwischen den Kriegen und von 1950 bis 1979 wurde nicht umgestellt – bis sich Deutschland den Nachbarstaaten der Europäischen Gemeinschaft anschloss, die mit der Sommerzeit in den späten 1970er Jahren auf die Ölkrise reagierten. Der Effekt ist umstritten, Energie wird nicht gespart.
„Die Umstellung zur Sommerzeit geht komplett gegen die innere Uhr“, meint Schlafforscher Müller: „Der gewünschte Effekt wird nicht erreicht, dafür wird aber die ganze Gesellschaft in ihrem Tagesrhythmus manipuliert“. Chronobiologisch – also aus Sicht der Wissenschaftsdisziplin, die sich mit den inneren Rhythmen von Lebewesen befasst – handele es sich um eine kritische Phasenvorverlagerung des Schlafs. Die zusätzliche Stunde nach der Zeitumstellung im Herbst mache dagegen wenig aus, da der innere Rhythmus ohnehin etwas mehr als 24 Stunden dauere.
Manche Statistiken zeigen in den Wochen nach der Sommerzeitumstellung höhere Unfallzahlen. „Das kann daran liegen, dass der Fahrer noch im biologischen Tiefpunkt ist, weil es nach der inneren Uhr noch eine Stunde früher ist“, so Müller. „Aber es gibt auch Studien, die den Effekt nicht zeigen. Und natürlich muss man auch Faktoren wie das Wetter einbeziehen“. Der Schlafexperte hält selbst wenig von der Sommerzeit. Letztlich könne man seinem Körper aber getrost vertrauen: „Die innere Uhr hat eine Anpassungsfähigkeit von 60 bis 90 Minuten. Ich halte die Debatte für überbewertet. Wer auf dem Flug in den Urlaub durch mehrere Zeitzonen fliegt, macht sich in der Regel auch nicht zu viele Gedanken.“
Lesetipp: www.schlafgestoert.de (Website von Dr. Müller und Kollegen)