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Wie sich Post-COVID auf kleinste Blutgefäße auswirkt: Forschungsgruppe untersuchte vaskuläre Langzeitfolgen
Münster (mfm/sw) – „Corona? Bisher nicht“: Nach über zweieinhalb Jahren Pandemie können das nur noch die wenigsten von sich behaupten. Während sich die meisten Infizierten eines milden Verlaufes „erfreuen“, klagen andere über starke Beschwerden. Laut Studien leiden bis zu 60 Prozent an Langzeitfolgen und anhaltenden Symptomen – sprich: an Post-COVID. Von Müdigkeit über Konzentrationsschwierigkeiten bis zur Atemnot – die Lebensqualität der Betroffenen ist stark beeinträchtigt. Das Phänomen, bei dem Betroffene auch noch über Monate nach der Infektion an den Corona-Symptomen leiden, ist bisher kaum geklärt. Eine Kooperation von Forschenden der Universität Münster hat diesen Sachverhalt nun genauer untersucht - und wegweisende Erkenntnisse gewonnen, die jetzt in der Fachzeitschrift Angiogenesis erschienen sind.
Patienten, die auch nach der akuten Krankheitsphase an langanhaltenden Leistungseinschränkungen leiden, sind für Dr. Irina Osiaevi und Priv.-Doz. Dr. Michael Mohr in der pneumologischen Ambulanz keine Seltenheit – im Gegenteil. Anders geht das Letztautor der Studie Dr. Alexandros Rovas und Prof. Philipp Kümpers: Die beiden in der Notaufnahme der Uniklinik tätigen Mediziner sehen dort in der Regel keine Post-COVID-Patienten. Um ihren Forschungsschwerpunkt, die Mikrozirkulation, also die Durchblutung kleinster Blutgefäße, auch auf diese Patientengruppe auszuweiten, kam den beiden Internisten der Medizinischen Klinik D (Med D) die Idee einer Kooperation mit der Med A wie gerufen. Gemeinsam will das interdisziplinäre Team dem Phänomen von Post-COVID auf den Grund gehen – denn: Weder an Herz noch Lunge sind bleibende Beeinträchtigungen nachweisbar. Warum einige Patienten an Post-Covid erkranken und andere nicht, ist bis heute unerforscht.
Bei einer schweren Corona-Infektion sind die kleinsten Blutgefäße – die nur vier bis sechs Mikrometer messenden Kapillaren – geschädigt. Erschwerend kommt hinzu: Die „Rekrutierung“ von Reserve-Kapillaren funktioniert, anders als bei Gesunden, in der akuten Corona-Infektion nicht. „Eine akute COVID-19-Infektion beeinträchtigt die Mikrozirkulation somit ganz erheblich. Unsere Vermutung war daher, dass eine verbliebene mikrovaskuläre Störung bei Post-COVID ebenso eine entscheidende Rolle spielen könnte“, so Rovas. In ihrer Pilotstudie bestätigte sich die Hypothese: Die Post-COVID-Patienten zeigten weiterhin eine schwere mikrovaskuläre Beeinträchtigung. Mit anderen Worten: Ähnlich wie Akut-Infizierte zeigen auch Post-COVID-Betroffene deutlich weniger kleine Kapillaren und eine verminderte „Kapillarrekrutierung“. Dabei spielt es offenbar weder eine Rolle, wie schwer die zurückliegende Infektion war, noch wie lange diese her ist. Klar ist: Die kleinsten Kapillaren fehlen. „Ob kleine Blutgerinnsel oder andere Gründe eine Rolle für die schwere mikrovaskuläre Schädigung spielen, ist uns noch nicht bekannt“, erläutert Rovas.
Die Autoren der Publikation sind zufrieden – stellen aber zugleich klar: „Bei unserer Forschung handelt es sich um eine Beobachtungsstudie mit einer kleinen Fallzahl“. Eine direkte Kausalität zwischen Schäden der Kapillaren und Post-COVID-Symptomatik sei dadurch noch nicht endgültig bewiesen. Dennoch: Die Daten deuten auf einen starken Zusammenhang zwischen der immer noch anhaltenden sogenannten kapillaren Rarefizierung und dem Corona-Virus hin - selbst 18 Monate nach der tatsächlichen Infektion.
Neben der Suche nach der Ursache wirft die Studie weitere Fragen auf – unter anderem nach der Reversibilität - also Umkehrung - der kapillaren Schädigung. Sollte dieser Zustand anhalten, könnten möglicherweise andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen – etwa Diabetes oder Bluthochdruck – weniger gut kompensiert und vorzeitig symptomatisch werden. Der nächste wichtige Schritt ist daher für die Forschenden, die Mechanismen der kapillaren Rarefizierung bei Post-COVID-Patienten im Detail zu untersuchen – und zu verstehen.