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Zunahme depressiver Symptome ist mehr als nur Vermutung: NAKO-Studie legt erste Auswertung aus Corona-Befragung von 114.000 Deutschen vor
Heidelberg/Münster – Depressive und Angstsymptome haben deutlich zugenommen, Stress ebenso: Das ist das zentrale Ergebnis einer Befragung zu psychischen Folgen der Corona-Pandemie, die die großangelegte NAKO-Gesundheitsstudie im Frühjahr spontan in ihr Arbeitsprogramm aufgenommen hat. Im „Deutschen Ärzteblatt“ haben die Macher heute [25.11.] publiziert, wie sich das neuartige Virus und seine Gegenmaßnahmen auf die allgemeine und die psychische Gesundheit der Deutschen ausgewirkt haben.
Zur Beantwortung der Forschungsfrage konnte die NAKO auf einen riesigen Probanden-Pool zurückgreifen – nämlich auf die 205.000 Frauen und Männer, die ohnehin schon an der bislang größten „Public-Health“-Erhebung in Deutschlang teilgenommen hatten. Bei der Corona-Sonderbefragung – durchgeführt in den 18 auf die Republik verteilten NAKO-Studienzentren - machten genau 159.562 Menschen mit, darunter 8.049 aus Münster – und lieferten damit eine einzigartige Basis zur Einschätzung der Pandemie-Folgen. Die in den ersten vier Wochen der Erhebung eingegangenen 113.928 Antworten bilden den Schwerpunkt der jetzt veröffentlichten ersten Auswertung der Daten.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden befragt, ob ein COVID-19-Test durchgeführt wurde und welche Covid-19-Symptome gegebenenfalls aufgetreten waren. Zusätzlich ermittelte die NAKO den subjektiv empfundenen Gesundheitszustand. Die Fragen zielen insbesondere auf depressive Symptome, Angstsymptome und Stress ab und erfolgten zwecks Vergleichbarkeit analog zur NAKO-Basisuntersuchung.
Auf COVID-19 getestet worden waren bis zum Mai 4,6 Prozent der Befragten, aber nur 344 davon (0,3 %) hatten einen Positiv-Bescheid bekommen. In deutlichem Gegensatz dazu stehen die Auswirkungen der Pandemie im Kopf: Depressive und Angstsymptome nahmen bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern unter 60 Jahren zu, mit einer Spitze bei jungen Frauen. Der Anteil derjenigen mit moderat bis schwer ausgeprägten depressiven Symptomen - also solchen, die eine klinische Relevanz nahelegen - stieg von 6,4 auf 8,8 Prozent. Der selbst empfundene Stress nahm in allen Altersgruppen und bei beiden Geschlechtern zu - vor allem in der Gruppe der 30- bis 49-Jährigen, aber auch bei Älteren.
„Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass sich im Frühjahr, in der ersten Welle der Pandemie und der Phase von Gegenmaßnahmen wie ‚Social distancing‘, Kontaktbeschränkungen und Betriebsschließungen, die Ausprägung depressiver Symptome sowie von Angst- und Stresssymptomen in der Bevölkerung verstärkt hat“, sagt Prof. Klaus Berger. Der Direktor des Instituts für Epidemiologie und Sozialmedizin der Universität Münster ist Sprecher der NAKO-Expertengruppe „Neurologische und Psychiatrische Erkrankungen“. Doch nicht nur Negatives können Berger und die anderen Studienautoren aus der Zeit der ersten Welle berichten: So schätzte ein gutes Drittel der Studienteilnehmer (32 %) ihre eigene Gesundheit zur Zeit des ersten Lockdowns besser ein als zum Zeitpunkt der NAKO-Erstbefragung fünf Jahre zuvor.
Für Prof. Dr. Annette Peters, NAKO-Vorstandsvorsitzende und im Hauptberuf Direktorin des Instituts für Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum München, ist die aktuelle Publikation ein Beleg für die besondere Bedeutung der Gesundheitsstudie: „Die NAKO eignet sich hervorragend, um zu untersuchen, ob die veränderten Lebens- und Arbeitsbedingungen während der Pandemie nicht nur kurzfristige Auswirkungen auf die Gesundheit haben, sondern auch langfristig die Entwicklung von Volkskrankheiten beeinflussen werden.“
Hintergrund NAKO Gesundheitsstudie
Die NAKO-Gesundheitsstudie ist ein gemeinsames Projekt von 27 wissenschaftlichen Institutionen, die sich zusammengeschlossen haben, um gemeinsam die bislang größte bevölkerungsbasierte und prospektive Langzeitstudie in Deutschland durchzuführen. Seit 2014 werden Männer und Frauen zwischen 20 und 69 Jahren, die nach dem Zufallsprinzip aus den kommunalen Melderegistern ausgewählt wurden, in den 18 Studienzentren der NAKO medizinisch untersucht und nach ihren Lebensumständen befragt. Ziel ist es, chronische Erkrankungen wie Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rheuma, Infektionen und Depression genauer zu erforschen. Derart soll eine Grundlage geschaffen werden, um Prävention, Früherkennung und Behandlung dieser weit verbreiteten Krankheiten zu verbessern.
Aus Münster haben über 10.000 Bürgerinnen und Bürger die NAKO durch ihre Teilnahme unterstützt. Hier, wie an allen Studienzentren, läuft derzeit die Zweituntersuchung, bei der alle NAKO-Teilnehmenden wieder eingeladen werden. Die Medizinische Fakultät der Universität Münster, seit Jahrzehnten eine Hochburg der Epidemiologie, fördert die Mammutstudie über zehn Jahre hinweg mit insgesamt zwei Millionen Euro.
Link zur Studie: https://www.aerzteblatt.de/archiv/216950