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Bibel-Verleger, Szene-Kassenwart und Fensterputzer: Wie Johannes Monse doch noch in der Psychiatrie landete

Johannes Monse am Hawerkamp vor seinem ehemaligen Verlagsgebäude. An der Wand erinnert das große MV-Logo noch an das „Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat“ (Foto: Uni MS/M. Heine)

Münster (mfm/mew) - Geburt im Clemenshospital, aufgewachsen in Havixbeck, Medizinstudium an der Universität Münster - Johannes Monse ist „einer von hier“. Einer, der auf dem besten Weg war, ein Arzt zu werden wie viele andere, die hier ihre Ausbildung absolvierten. Doch noch während seines Studiums kam alles anders. An einem alkoholgeschwängerten Abend entschieden sich Monse sowie sein damaliger Mitbewohner und guter Freund aber, einen Verlag zu gründen – nicht die einzige 180-Grad-Wende in einem Leben zwischen Seitenwegen und Stringenz.

Wie es zur Verlagsgründung kam, erzählt Monse mit einem Lächeln auf den Lippen: “Das war eine Schnapsidee. Tom van Endert und ich schauten uns die von einem Kumpel gezeichneten Comics an und waren uns einig: ‚Die muss jemand auf den Markt bringen‘. Und da das wahrscheinlich niemand getan hätte, haben wir es selbst gemacht. Als vermutlich kleinster Verlag der Welt brauchte der natürlich einen umso mondäneren Namen.” So entstand vor knapp einem Vierteljahrhundert das „Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat”. Der Comic, mit dem alles seinen Anfang nahm, steht noch immer im Wohnzimmerregal des inzwischen 53-Jährigen. Auch wenn die Verlagsgründung eigentlich nur eine Spaßaktion war, dachten sich die „Jungunternehmer“ nach Abschluss des Studiums, dass das Ganze eines ernsthaften Versuches wert sei – und erzielten überraschende Erfolge.

Der Millionen-Coup mit den sechs Bugattis

Die Firma wuchs, bekam eine eigene Druckerei und zog zum Hawerkamp, einen Ort, der einen Kontrapunkt bildet zum sonst so schnieken Münster: Auf der Brache eines aufgegebenen Betonwerks, die bis heute rechtlich ein Gewerbegebiet ist, hat die alternative Szene ihre Heimat. Hier ist ein Ort für Clubgänger, für Künstler, Alternative und - Autowerkstätten. Das alte Industriegelände mit den vielen Graffitis steht in Selbstverwaltung des Vereins Hawerkamp 31 e.V., in dem Monse sich jahrelang als Schatzmeister betätigte. Der Verlag hatte jedoch nicht nur seinen Sitz am Hawerkamp, sondern schuf auch eines der geschichtsträchtigsten Events in dessen Geschichte. Insgesamt sechs Bugattis - Gesamtwert 15 Millionen Euro – stellten Monse und seine Mitstreiter 2008 in den alten Fabrikhallen aus. “Damals haben wir die ‚Bibel der Bugattisten‘ herausgebracht, das Buch ‚Bugatti – from Milan to Molsheim‘. Um die Neuerscheinung zu promoten, haben wir uns in Zusammenarbeit mit Studierenden der FH Münster etwas Besonderes überlegt“, erzählt Monse.

Die Idee: Der Luxus der Bugattis sollte im Kontrast zur rustikalen Umgebung des Hawerkamps stehen. „Statt Kaviar und Champagner gab es Flammkuchen aus dem Pizzaofen der Sputnikhalle und Elsässer Cremant, eine Anspielung auf die Heimat der Firma Bugatti im Elsass”, erinnert sich der Verleger – und ergänzt mit einem schelmischen Lächeln: „Uns war wichtig, dass alle Kfz-Mechaniker vom Hawerkamp ein Ticket erhalten. Das führte zu der denkwürdigen Situation, dass die High-Society mit ihren teuren Autos am Hawerkamp vorfuhr, darauf vertrauend, durch die gesellschaftliche Stellung auch ohne Ticket Einlass zu bekommen, aber unverrichteter Dinge wieder abdampfen musste“. Die „Bugatti-Bibel“ wird inzwischen antiquarisch für um die 1.500 Euro gehandelt - schließlich gibt es nur 1.001 Exemplare, angelehnt an das erste Auto mit über 1.000 PS, den Bugatti Veyron. “Solche kleinen Spielereien lieben die Bugattisten,” lacht Monse.

Zurück in der Medizin

Trotz schillernder Veranstaltungen und einer Vielzahl spannender Buchprojekte musste das Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat 2016 Insolvenz anmelden. Dies hing zusammen mit dem Brot-und-Butter-Geschäft des Verlags – Selfpublishing und „Books on demand“. Statt fester Auflagezahlen werden hierbei die Bücher nur auf konkrete Nachfrage hin gedruckt und die Autoren verlegen Ihre Bücher selbst. Was inzwischen ein großes Marktsegment ausmacht, war Anfang der 2000er Jahre noch eine publizistische Revolution, die van Endert und Monse als Pioniere mit initiierten. “Als Publikations-Dienstleister haben wir sowohl Privatkunden als auch rund 25 Hochschulen betreut. Letztere konnten über eigene Hochschulverlage ihre Publikationen mit unserer Hilfe veröffentlichen und so die Hoheit über die Werke zurückerlangen”, so Monse. Insbesondere im Privatkundenbereich konnte sich der inhabergeführte Betrieb mit 35 Mitarbeitern jedoch auf Dauer nicht gegen die große Konkurrenz durch Amazon & Co. behaupten.

Die Insolvenz war für Monse jedoch auch eine Chance, nämlich die, einen früheren Lebenstraum aus der Zeit vor dem Verlag zu verwirklichen: “Nach der Insolvenz fiel mir ein ‚Du hast doch mal dieses Studium abgeschlossen ...‘. Also bewarb ich mich auf eine Assistenzarztstelle in der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik Münster. Vor 20 Jahren hätte das wahrscheinlich wenig Aussichten gehabt, aber in Zeiten des Ärztemangels gelang mir der späte Jobeinstieg.” Kinder- und Jugendpsychiatrie war schon im Studium der Bereich, in den Monse gern hineinwollte. Seine Zeit abseits der Medizin sieht der „Nachzügler“ nicht unbedingt als Nachteil: “Natürlich musste ich mir das eine oder andere noch einmal genauer anschauen als die Kollegen, die frisch von der Uni gekommen waren. Als Familienvater mit zwanzig Jahren mehr Lebenserfahrung habe ich dafür auch die Möglichkeit, auf einer anderen Ebene mit den Eltern der jungen Patienten umzugehen.”

Wie von Sinnen sind die Finnen

Als im Herzen „Alternativer“, der lange Zeit sein eigener Chef war, könnte man annehmen, dass Monse der Umstieg in den Krankenhaus-Kosmos schwerfiel. Aber: “Die Rolle des Assistenzarztes war für mich eher eine Entlastung. Man hat keine Verantwortung in Sachen Finanzen, Personalplanung etc. und kann im Bedarfsfall den Oberarzt um Rat fragen. Allerdings ist mein Arbeitsbereich vielleicht auch anders als in anderen Kliniken, wo sich ein letzter Rest des preußisch-militärischen Systems halten konnte. Ich trage ja weder Kittel noch ein Stethoskop um den Hals, um mich als Arzt zu präsentieren. Das ist mir auch ganz lieb so – ich bin vielleicht eher Punk-Rock als alles andere.”

Seine musikalische Seite bescherte dem Verlag sogar den „Jieper-Preis“ der „tageszeitung“ (taz). Um den zu gewinnen, muss ein vorgegebener, unsinniger Satz einer Veröffentlichung möglichst originell untergejubelt werden. „Nachdem wir mehrfach zweite Plätze belegt haben, unter anderem mit einer Lutherbibel, kamen wir 2014 endlich ganz nach vorn. Wir hatten die Idee, den vorgegebenen Satz ‚Wie von Sinnen sind die Finnen, krault man Ihnen an den Kinnen‘ als Pop- und Heavy-Metal-Version zu vertonen und auf Vinyl zu pressen. Eingesungen hat das unser Druckereichef Ron Hofhüser“, erzählt der Hobbymusiker nicht ohne Stolz. Und nicht nur das: Mit der hauseigenen Band „Marones a.k.a. Staalsaane“ wurden sowohl 50er-Jahre Hits „verpunkrockt“ als auch Stadionsongs für Preußen Münster eingespielt.

Die Lehrangebote der Medizinischen Fakultät konnte er, wie er es rückblickend formuliert, „besonders lange genießen“. Die nötige Stringenz habe zwischendurch im Studium wohl gefehlt, erklärt der Münsteraner. “So habe ich nach dem Physikum ein Jahr lang als Tauchlehrer und Fensterputzer gearbeitet. Schlussendlich bin ich dann doch fertig geworden und dort gelandet, wo ich ursprünglich hinwollte”, resümiert der Arzt und Verleger. Sein nächstes Etappenziel: die Promotion. Das Thema, das er am Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin bearbeitet, verfolge ihn schon seit 15 Jahren. Inzwischen ist die Arbeit fertig und harrt der Abgabe.    Text: Marie-Elisabeth Wolter

(Mit diesem Bericht setzt der Alumni-Verein „MedAlum“ der Medizinischen Fakultät Münster seine Porträt-Reihe "Köpfe der Fakultät" fort. Mehr zu dem Verein erfahren Sie hier.)

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