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Virtuose Soli und glamouröse Outfits: Für die „Lange Nacht“ kehrt die Reisegruppe Hardrock auf den Medizincampus zurück
Münster (mfm/sw) – Sie tritt mit Verkleidung und Perücken auf, hat sich zu einem Hauptact des münsterschen Stadtfestes hochgearbeitet und macht sich ansonsten, was Auftritte angeht, rar: die „Reisegruppe Hardrock“. Im Wissen, die bis dato verschleierten Identitäten damit preiszugeben, willigten Leadsänger Dr. Andreas Johnen und Gitarrist Dr. Matthias Schlechter zu einem Gespräch mit dem Alumni-Verein medAlum ein – und nicht nur das: Die Band gab dem Verein die Zusage, 2025 auf der „Langen Nacht“ der Uni-Medizin zu spielen. Die beiden Hobbymusiker sind nämlich nicht nur echte Rocker, sondern auch Ehemalige der Medizinischen Fakultät. Wenn nicht gerade ein Auftritt oder eine Bandprobe ansteht, gehen sie ihren Jobs als Psychotherapeut und Arzt nach – und tauschen Langhaarperücke und Leggings gegen Kittel ein sowie das Stagediving am münsterschen Domplatz gegen OP-Saal und Therapeutencouch.
Was mit Jugendträumen und selbstgeschriebenen Songs begann, mündete in einer Cover-Band, die sich immer größerer Beliebtheit erfreut. Denn obwohl Schlechter und Johnen beide an der Uni Münster studiert haben, kennen sich die beiden aus früheren Zeiten – nämlich ihren jeweiligen eigenen Bands aus Jugendzeiten, „also solchen, mit denen man halt nicht berühmt wird“, schmunzelt Bassist und Sänger Johnen. Später trafen sie sich in der Jüdefelder Straße wieder, dem Hotspot des münsterschen Nachtlebens, wo beide als Studenten in der Gorillabar gekellnert haben. Nachdem die Band aus ursprünglich drei Mitgliedern, bestehend aus Johnen sowie einem weiteren Psychologen und Gymnasiallehrer, im Jahre 2009 gegründet wurde, stieß 2015 Schlechter als Gitarrist dazu. Seitdem tritt die Gruppe als vierköpfige Formation auf und performt bei ausgewählten Feiern.
Ein Highlight im Jahresprogramm ist das münstersche Stadtfest. Während die Band vor einigen Jahren noch für das Nachmittagsprogramm gebucht wurde, hat sie sich inzwischen zum – stimmungsmäßig passenderen – Auftritt am Samstagabend hochgearbeitet. Ein festes Team hat die Band dabei nicht – bis auf einen Tontechniker machen die Musiker alles selbst. „Die jahrelange Banderfahrung lehrt einen doch einiges“, erklären die beiden Alumni. „Ganz ohne Zweifel ist man ohne professionelles Team allerdings nicht – vor so einem großen Auftritt wie beim Stadtfest kommen schon einmal Fragen auf wie: Habe ich eigentlich die Batterien meiner Gitarre gewechselt?“ Bislang ging aber alles gut – und wenn nicht, würden die Hobby-Rocker das mit Humor nehmen.
Dem Namen der Reisegruppe machten die Jungs erst Anfang des Jahres alle Ehre: „Da waren wir in der Schweiz, in Davos – und haben unsere Auftritte gegen einen Skipass getauscht. Das war ein guter Deal“. Ihre Wurzeln vergisst die Band nicht: Vor Davos trat sie an alter Stelle auf - in der Gorillabar. Lampenfieber ist für die Rocker zwar kein Fremdwort, aber auch kein großes Thema – vor allem dank Kostüm und Routine. „Anfangs haben wir uns Clips von den Ramones angeschaut und gedacht: Das sieht gut aus, das machen wir auch so – und haben uns dann Perücken angezogen“, erzählt Johnen, „Dann kam immer mehr an Kostüm dazu“. Heute sind die Bandmitglieder von Kopf bis Fuß verkleidet: Perücke, Bart, Stirnband, Leggings und Lederweste gehören zum Outfit. Um sich vor einem Auftritt in Schale zu werfen, benötigen die Jungs jedoch nur schlappe fünf Minuten – von Rockstar-Allüren keine Spur. „Wenn wir uns in die Kostüme werfen, hilft das dabei, die Rolle als Musiker an- und sich selbst weniger ernst zu nehmen“, so Orthopäde Schlechter. Anonymität oder gar die Etablierung eines Alter Egos sei anfangs gar nicht das Ziel gewesen – die Kostüme seien beim Publikum einfach gut angekommen, erzählt Sänger Johnen.
Sich selbst auf den Arm zu nehmen, das beherrscht die Band gut: Wer bei „Reisegruppe“ an Senioren-Urlaubsfahrten oder Kaffeefahrten denkt, hat sich geschnitten – doch gerade darin liege auch der Witz, so Johnen. Die Namensgebung geht vielmehr auf die Probe- und Lebenssituation der Mitglieder zurück: „Weil wir in Münster und Dortmund wohnen, müssen wir für die Bandproben immer nach Hamm fahren – da war Reisegruppe tatsächlich naheliegend“. Aber: Die Gruppe reist nicht nur räumlich, sondern auch in eine vergangene Zeit – nämlich in die 1980er Jahre.
Bevor es ein Song ins Repertoire schafft, muss der verschiedene Kriterien erfüllen - das Wichtigste: „Die Songs dürfen nicht zu bekannt sein“, so Gitarrist Schlechter. „Als Student wollte man alles sein, nur nicht noch eine weitere Cover-Band. Irgendwann muss man natürlich einsehen: Mit den eigenen Songs kommt man nicht weiter. Aber wenn schon Cover, dann wenigstens nicht solche aus dem Mainstream“. Kollege Johnen ergänzt: „Unsere Songs kennt man durchaus, aber es sind eben nicht die allerbekanntesten. So haben wir statt ‚Eye of the Tiger‘ unlängst unlängst ‚Didn’t know it was love‘ von Survivor ins Programm aufgenommen“.
Was hält eine Band aus Studentenzeiten zusammen, wenn Familie und Karriere hinzukommen? Darauf haben Johnen und Schlechter eine klare Antwort: Freundschaft ist die Grundlage. Zu unterschätzen sei die Arbeit, die hinter einer solchen Band steht, jedoch nicht, betonen die beiden Ehemaligen: „Das Rezept für einen gelungenen Auftritt ist Spaß an der Sache und Engagement jedes Einzelnen“, so Schlechter, „Es müssen alle dasselbe Maß an Feuer mitbringen“. Wenn die vier Freunde die Band nur als „Hobby nebenbei“ betrachten würden, käme ihrer Ansicht nach nicht das heraus, was die Reisegruppe charakterisiert – nämlich ein Repertoire von 30 Songs, die „alle so abgeliefert werden können“, meint Schlechter. Auf die Probe gestellt wird das Engagement bei der Bandprobe: Wenn möglich, probt die Reisegruppe sonntagabends – im Schnitt alle drei bis vier Wochen. „Es gibt wohl keinen passenderen Termin für Rock’n’Roll als den Sonntagabend“, scherzt Johnen. „Wobei – vielleicht doch: den Sonntagmorgen“.
Schlechters und Johnens berufliche Wurzeln führen beide zur münsterschen Universitätsmedizin zurück: Während Schlechter als Oberarzt für die Klinik für Orthopädie tätig war, arbeitete Johnen am Institut für Translationale Neurologie und leitete den Forschungsbereich Neuropsychologie. Promoviert wurde letzterer in medizinischen Wissenschaften im Jahr 2015, Schlechter zum Dr. med. zwei Jahre später. Seit 2022 gehört Orthopäde Matthias Schlechter nun zum Team des Krankenhaus Damme in Niedersachsen und ist dort leitender Arzt und Chefarztvertreter der Orthopädie. Andreas Johnen hat sich mit eigener Praxis im Stadtzentrum Münsters niedergelassen.
Ob sie sich eines Tages zu alt fühlen werden oder zwischen Facharztkonferenzen, Tagungen oder Familientrubel keine Zeit mehr für die Band bleibt? Auf keinen Fall - das steht für die Musiker fest: „Die Reisegruppe Hardrock wird nie sterben“, stellt Gitarrist Schlechter klar. Und Johnen ergänzt: „Je älter wir werden, desto mehr merken wir, wie sehr wir den Ausgleich brauchen und wie gut der tut – wie eine Art Anker und Therapie für jeden von uns“. Autorin: Stella Willmann
(Mit diesem Bericht setzt der Alumni-Verein „MedAlum“ der Medizinischen Fakultät Münster seine Porträt-Reihe "Köpfe der Fakultät" fort. Mehr zu dem Verein erfahren Sie hier.)
Die Reisegruppe Hardrock in Aktion (anklicken zum Abspielen):