Der piRNA-Signalweg und seine Rolle bei männlicher Unfruchtbarkeit
Unfruchtbarkeit stellt für betroffene Männer eine erhebliche psychologische Belastung dar. Eine Diagnose unterstützt nicht nur bei der Bewältigung der Situation, sondern ermöglicht auch eine Einschätzung der Chancen für medizinisch assistierte Reproduktion (MAR). Forscher*innen der Universitäten Münster, Gießen, Edinburgh, Newcastle, Straßburg, Barcelona und Nijmegen haben nachgewiesen, dass genetische Varianten, die den piRNA-Signalweg stören, mit männlicher Unfruchtbarkeit in Zusammenhang stehen.
Die Forschungsergebnisse wurden in der vergangenen Woche Woche in der Fachzeitschrift Nature Communications unter dem Titel „Inherited defects of piRNA biogenesis cause transposon de-repression, impaired spermatogenesis, and human male infertility“ veröffentlicht.
piRNAs stellen eine Untergruppe kleiner RNA-Moleküle dar, welche vor allem in den Hoden von Säugetieren vorkommen. Sie binden an bestimmte Argonaut-Proteine, die als PIWI-Proteine bekannt sind, und tragen durch de novo Methylierung der genomischen DNA und posttranskriptionelles Silencing zur Unterdrückung von Transposons bei was für die Aufrechterhaltung der Genomintegrität von wesentlicher Bedeutung ist. Darüber hinaus sind sie im erwachsenen Hoden auch an der Regulierung der Genexpression beteiligt. Während die Funktion von piRNAs bei Mäusen gut charakterisiert wurde, ist ihre Rolle in der Keimzellentwicklung des Menschen noch weitgehend unerforscht.
Die Autor*innen identifizierten einen signifikanten Zusammenhang zwischen homozygoten Loss-of-Function-Varianten, die in Exom-/Genomdaten von Männern mit beeinträchtigter Spermatogenese gefunden wurden, und Genen, die an der „piRNA-Verarbeitung“ beteiligt sind. In einem anschließenden Screening von Exom-/Genomdaten aus vier unabhängigen Kohorten unfruchtbarer Männer wurden 39 Männer identifiziert. Diese tragen hochrelevante biallelische Varianten in 14 verschiedenen Genen, die mit dem piRNA-Signalweg assoziiert sind.
Daran anknüpfend fanden die Autor*innen heraus, dass eine gestörte piRNA-Biogenese bei Männern mit einer Dekompression von Transposons verbunden ist. Ihre Analysen der reproduktiven und testikulären Phänotypen betroffener Männer wiesen konsistente genspezifische Befunde nach. Diese Ergebnisse zeigen wesentliche Unterschiede zwischen Menschen und Mäusen auf und verdeutlichen einmal mehr, dass Erkenntnisse aus Tiermodellen nicht ohne weiteres auf alle Säugetiere übertragbar sind.
Zusammenfassend stellt diese Studie einen wesentlichen Fortschritt in der Reproduktionsgenetik dar. Sie erweitert erheblich die Anzahl der Gene, die mit männlicher Unfruchtbarkeit in Verbindung stehen, und zeigt einen Zusammenhang zwischen genetisch gestörter piRNA-Biogenese und männlicher Unfruchtbarkeit auf. Der Erfolg dieser Arbeit beruht zum einen auf der gemeinsamen Sammlung von Exom-Sequenzierungsdaten unfruchtbarer Männer und der umfassenden klinischen Charakterisierung ihrer reproduktiven Phänotypen, zum anderen auf der spezifischen Laborexpertise und dem tiefgreifenden Fachwissen auf dem Gebiet piRNA-Biogenese