Kratzen, was das Zeug hält: medAlum auf Entdeckungstour im Kompetenzzentrum Chronischer Pruritus
Münster (mfm/sw) – „Wer kennt ihn nicht?“ fragt Prof. Sonja Ständer ihr Publikum, das an diesem Freitagnachmittag aus rund 30 Ärztinnen und Ärzten besteht. Keine einzige Hand geht hoch – wie erwartet. Denn die Rede ist von Juckreiz – einem Gefühl, das jeder kennt. Hier, im Hörsaal der Hautklinik, geht es allerdings um eine besondere Form, nämlich um den chronischen. Ständer leitet das Kompetenzentrum Chronischer Pruritus (Fachwort für Juckreiz), kurz KCP, an der münsterschen Universitätsklinik, eine bei der Gründung 2008 deutschlandweit einmalige Anlauf- und Forschungsstelle. Für medAlum, den Alumni-Verein der münsterschen Universitätsmedizin, öffnete die Professorin die Türen des KCP und ermöglichte den Ehemaligen Einblicke in dessen Arbeit.
Von einer „unangenehmen Sensation verbunden mit dem Wunsch zu Kratzen“ sprechen Fachleute, Laien umschreiben ihn einfach als lästig und schrecklich: den chronischen Pruritus. Ein Symptom, aber zahlreiche Ursachen, von Haut- über Leber- bis zu Nierenerkrankungen: Den Ursprung des Juckreizes genau zu identifizieren, ist schwierig. Patienten, die von dem Phänomen betroffen sind, sind oftmals ratlos: „Betroffene hatten bislang kaum eine Anlaufstelle für ihre Beschwerden. Therapien werden eingeleitet, doch der Juckreiz bleibt - und das führt zu erheblichen Beeinträchtigungen der Lebensqualität“, gibt Prof. Ständer zu denken. Durch die meist unklaren Ursachen ist das münstersche Zentrum interdisziplinär aufgebaut und arbeitet mit vielen Partnern eng zusammen: neben der Hautklinik, in dem das KCP angesiedelt ist, sind das unter anderem die Kliniken für Psychosomatik und Psychotherapie sowie für Neurologie, Innere Medizin oder auch Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie.
Auch unter den Ehemaligen finden sich bei der KCP-Exkursion Experten: Neben Dermatologen sind unter anderem auch Physiologen und Anästhesistinnen angereist, um sich ein Bild von Deutschlands erster Klinik mit eigener Abteilung für chronischen Juckreiz zu machen. Nach dem einführenden Fachvortrag von Prof. Ständer leitet zwei Kolleginnen aus ihrem Team, Emily-Rose Burnett und Dr. Manuel Pereira, über zum administrativen Teil der KCP-Arbeit: Die Anmeldung erfolgt top modern mittels eines Fragebogens, der am Tablet-PC ausgefüllt wird. Die Aufnahmekriterien für die Patienten - von denen es rund 2.500 pro Jahr gibt - sind streng; dafür bedarf es eines geschulten Personals, das die Fragebögen oder Anmeldungen schon am Telefon genau prüft.
Im letzten Jahr feierte das Kompetenzzentrum Chronischer Pruritus sein zehnjähriges Bestehen. Das Team blickt stolz auf die Gründung zurück – und zugleich nach vorn: Für die Zukunft hat es sich noch bessere Therapiemöglichkeiten für die Patienten als Ziel gesetzt. Daher wird intensiv geforscht: Weitere 15 Zentren in zwölf europäischen Ländern sind an verschiedenen Projekten zum Chronischen Pruritus beteiligt. In diesem Jahr sind auch Einrichtungen aus den USA hinzugekommen.
medAlum, das Ehemaligen-Netzwerk der Medizinischen Fakultät an der Universität Münster, baut unter anderem durch Vor-Ort-Besuche in Kliniken und Instituten Brücken zwischen Fakultät und Alumni. Es geht meist um sonst nicht zugängliche Bereiche Abteilungen, die die Ehemaligen im kleinen Kreis wahrnehmen können. Zwar sind ihre Zeiten im Hörsaal lange vorbei, doch spricht viel für einen Nachmittag, an dem man wieder die „Schulbank drückt“ – diesmal für einen Dialog auf Augenhöhe.