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Hier steckt auch nachts der Bücher-Wurm drin - ein Ortstermin in Deutschlands bester Medizinbibliothek
(Münster/pc) - Bis Mitternacht lernen, zum Schlafen nach Hause und um acht Uhr wieder ein freundliches „Guten Morgen“ zur Begrüßung: Die Zweigbibliothek Medizin (ZB Med), eine „Filiale“ der Universitäts- und Landesbibliothek Münster, macht es möglich. Die seit November bis Mitternacht ausgedehnten Öffnungszeiten kommen bei den Nutzern hervorragend an. „Derzeit verbringe ich täglich zehn Stunden hier“, sagt ein Zahnmediziner, der sich auf seine Facharztprüfung vorbereitet. „Meine Unterlagen bleiben in der Bibliothek, zuhause liegt gar nichts mehr. Das ist optimal.“ Die gute Nachricht: Im April erhielt die ZB Med vom Rektorat die Zusage, dass die mit Studienbeiträgen finanzierte Verlängerung mindestens bis Ende 2010 beibehalten werden kann. Nur eine der insgesamt 27 Uni-Medizinbibliotheken in Deutschland bietet ähnlich nutzerfreundliche Öffnungszeiten.
„Das ist eine super Atmosphäre hier“, finden Christiano da Silva und André Toschka, die beide im 2. Fachsemester Medizin studieren. Neben dem freundlichen Personal schätzen sie besonders die Gruppenräume. „Nachdem drüben im Lesesaal jeder für sich gelernt hat, können wir uns hier zusammensetzen und gegenseitig abfragen, ohne dabei andere zu stören“, so da Silva. Wie sehr sich die Studierenden mit „ihrer“ Bibliothek identifizieren, ist nicht zu übersehen. Vor allem in Prüfungsphasen, wenn die Nerven mitunter blank liegen, bietet sie ihnen ein Stück „Heimat“. Ist alles gut gegangen, bedankt sich die eine oder der andere sogar persönlich, mit einer Postkarte oder auch schon mal mit einem kleinen Gedicht per E-Mail. Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden honoriert.
Das elfköpfige Team um Bibliotheksdirektor Dr. Oliver Obst freut’s. „Mir macht der Umgang mit Menschen Freude. Ich könnte mir nicht vorstellen, ausschließlich die Hintergrundarbeit im Büro zu machen“, sagt Ulrike Dillschneider. „Wenn jemand am Info-Schalter mit einer unvollständigen Literaturangabe zu mir kommt, klemme ich mich mit Spaß dahinter. Das ist wie Detektivarbeit.“ Wie sie schätzt auch ihre Kollegin Karin Schulenborg das Prinzip des „Jeder macht alles“: „Dadurch ist kein Arbeitstag wie der andere.“ Und Katrin Bendix mag es, ihre Kunden regelmäßig zu sehen: „Es sind auch viele Studierende von der Fachhochschule und Pflegeschüler darunter“, hat sie festgestellt.
Seit den ersten Rankings auf der Poleposition
Ob „Beratungsangebot", „Literaturrecherche", oder „Ausstattung der Arbeitsplätze" – in allen Kriterien heimst die ZB Med beim Hochschulranking der Humanmedizin regelmäßig Bestnoten ein. Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) führte diese bundesweite Studiengang-Bewertung erstmals 2003 durch, Partner ist die Wochenzeitschrift „Die Zeit“. Seitdem konnten die Münsteraner ihre Poleposition kontinuierlich behaupten.
Zu ihren Kunden zählen neben den Studierenden auch die Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät sowie die Beschäftigten des Universitätsklinikums Münster (UKM), dazu – seltener – auch Patienten. „Unsere Nutzer sollen jederzeit und überall auf die Leistungen der ZB Med zugreifen können“, lautet das Credo der Bibliothek. Parallel zum rasanten Fortschritt der Informationstechnologien hat sich die ZB Med in dieser Hinsicht ständig weiterentwickelt und ist längst nicht mehr nur ein „Ort der Bücher“: Ihre Dienste sind per Computer und Smartphone von jedem Ort der Welt aus verfügbar. Ob Skypen, Bloggen oder Twittern – immer wenn es eine neue Form der Informationsverbreitung gibt, gehören Obst und sein Team zu den Erstanwendern.
Vorausschauend war die ZB Med schon in Bezug auf die Digitalisierung: So wurde frühzeitig auf Online-Zeitschriften umgestellt, damit blieb der Bezug bezahlbar und es entstand mehr Raum zum Arbeiten und Lernen. Mittlerweile verfügt die Medizinbibliothek auch über ein kleines Bistro und – neueste Errungenschaft – ein blaues Sofa zum stillen Atemholen zwischen zwei Arbeitsintervallen.
Die Sitzecke war ein studentischer Vorschlag, umgesetzt wurde er wie viele andere über die so genannte „TaskForce“: Dieses Gremium besteht aus je einem Vertreter der Fachschaften Medizin und Zahnmedizin sowie zwei Bibliotheksmitarbeitern. Im November 2007 gegründet, trifft sich die Gruppe seitdem mindestens einmal im Semester, um Benutzerwünsche zu sammeln und, sofern machbar und sinnvoll, deren Umsetzung voranzutreiben. Zwischen den Sitzungen halten die Mitglieder per E-Mail Kontakt; den Stand der einzelnen Projekte kann jeder Interessent im Internet verfolgen. „Dieser kurze Draht zwischen Fachschaften und Bibliothek hat sich bestens bewährt“, unterstreicht Dr. Obst.
Hausbesuche auch ohne Krankenschein
Dass es in Zeiten des zunehmenden Wettbewerbs um Geld und die besten Köpfe nicht mehr ausreicht, gute Leistungen „nur“ zu erbringen, sondern diese auch an die Frau oder den Mann gebracht werden müssen: in der ZB Med längst ein alter Hut. Während sich diese Erkenntnis in vielen öffentlich finanzierten Einrichtungen erst allmählich durchsetzt, gehört die münstersche Medizinbibliothek auch hier zu den Vorreitern. Jede fünfte Arbeitsstunde, schätzt Dr. Obst, verwendet er inzwischen darauf, die Dienste der ZB Med ihren Nutzern bekannt zu machen. Es begann 1997 mit dem wöchentlichen Newsletter, später folgten täglich aktualisierte Meldungen, der Ausbau der Website sowie das dreimal jährlich erscheinende Print-Magazin „med“. Im Laufe der Jahre wurde das Kommunikationskonzept immer weiter verfeinert – bis hin zu den „Hausbesuchen“.
„Bei denen packen wir unser ‚Musterköfferchen’ und suchen die potenziellen Nutzer persönlich auf“, sagt Obst mit einem schelmischen Grinsen. In Büros, Laboren oder Behandlungszimmern wird das „Köfferchen“ ausgepackt. Ob Wiki und Weblog, Datenbank oder Fernleihdienst Rapidoc – am Ende einer solchen „Inhouse-Schulung“ ist garantiert keine Frage mehr offen. „Pro Jahr besuchen wir inzwischen um die 30 Kliniken und Institute und erreichen dabei um die 400 Teilnehmer“, berichtet der ZB-Med-Chef.
Ebenso wichtig wie die Kommunikation mit den Bibliotheksnutzern ist für Obst die interne Kommunikation. Neben regelmäßigen Mitarbeiterrunden und einem internen elektronischen Kommunikationssystem ist der Bibliotheksleiter auch zwischendurch immer persönlich für seine Leute ansprechbar. Sein Beruf wurde ihm gewissermaßen in die Wiege gelegt: Schon Urgroßvater, Großvater und Mutter waren Buchhändler oder Bibliothekare. 2009 berief die Zeitschrift „Nature“, eines der wichtigsten wissenschaftlichen Journale weltweit, den promovierten Biologen in ihr „Library Commitee“ und lud ihn zu einer Tagung nach New York ein. Am 28. und 29. Juni dieses Jahres ist die ZB Med beim „2. Münsteraner Zukunftskolloquium für Medizinbibliotheken“ selbst Gastgeber für Kollegen aus dem In- und Ausland. Eine wichtige Motivation sei es für ihn und sein Team, der Fakultät und dem UKM Wettbewerbsvorteile zu sichern, sagt Oliver Obst. Die andere Motivationsquelle: „Letztlich dient auch unsere Arbeit dem Wohl der Patienten.“
Wer den wöchentlichen E-Mail-Newsletter der ZB Med erhalten möchte, schreibt an zbm.auskunft@uni-muenster.de.