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Intelligente Barriere gegen schädliche Zellen: Tilman Schneider-Hohendorf erhält Herbert-Fischer-Preis für Neuroimmunologie
Münster (mfm/sk) – Das Gehirn eines Patienten mit Multipler Sklerose (MS) lässt sich mit einem exklusiven Club vergleichen: Innen – im zentralen Nervensystem (ZNS) – ist die Tanzfläche, draußen stehen die unterschiedlichen Zelltypen, die Einlass verlangen. An der Blut-Hirn-Schranke sorgt ein cleverer Türsteher mit der Auswahl der Gäste dafür, dass drinnen eine angenehme Atmosphäre herrscht. Die Funktion des Türstehers übernehmen moderne MS-Medikamente. Sie sollen das zentrale Nervensystem vor dem Eindringen schädigender Immunzellen schützen, ohne dabei die grundlegende Immunabwehr der Patienten in Mitleidenschaft zu ziehen. Wie es Immunzellen schaffen, sich dennoch am Türsteher vorbeizumogeln, zeigte der münstersche Neuroimmunologe Tilman Schneider-Hohendorf. Dabei bewies er, dass und warum es sogar wichtig ist, wenn nicht allen Immunzellen der Weg ins ZNS verwehrt wird. Für diese Erkenntnis erhielt der 33-Jährige nun den Herbert-Fischer-Preis der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGFI).
Bei einem MS-Schub dringen viele Immunzellen über die Blut-Hirn-Schranke ins zentrale Nervensystem (ZNS) ein. Dort lösen sie eine Überreaktion des Immunsystems aus, welche die Nervenzellen schädigt. MS-Therapien sollen diesen Prozess verhindern oder zumindest eindämmen, also die schädigenden Zellen aussperren und so die Überreaktion drosseln. Zugleich müssen aber die grundlegenden Immunfunktionen weiterhin erhalten bleiben, weil es sonst zu schweren Infektionen kommen kann. Dies ist ganz ohne Immunzellen nicht möglich – und die Balance der verschiedenen Zelltypen somit der Schlüssel zur Therapie. Beim Wirkstoff Natalizumab ist dieser Drahtseilakt offenbar geglückt – und Schneider-Hohendorf fand heraus, weshalb.
Der Wissenschaftler aus der Arbeitsgruppe von Prof. Heinz Wiendl analysierte über einen Zeitraum von fünf Jahren Blut und Nervenwasser von MS-Patienten, die mit Natalizumab behandelt wurden. Der therapeutische Antikörper blockiert das Very-Late-Antigen 4 (VLA-4) auf der Zelloberfläche der Immunzellen und verhindert so, dass sie über die Blut-Hirn-Schranke in das zentrale Nervensystem einwandern. Diese Strategie verringert MS-Schübe und damit die Bildung neuer Entzündungsherde im Gehirn sehr effektiv. Die neue Erkenntnis: Die Einnahme des Präparates blockiert die wichtige Immunüberwachung des ZNS offenbar nicht komplett. Wenige spezialisierte T-Zellen - die Th17-Zellen - können die Blut-Hirn-Schranke auf alternativem Weg durchdringen. Sie nutzen statt VLA-4 das Molekül MCAM. Th17-Zellen wurden bisher bei immun-vermittelten Erkrankungen des Nervensystems grundsätzlich als schädlich angesehen. Wird ein Patient jedoch mit Natalizumab behandelt verändert sich das zuvor entzündliche Milieu im ZNS derart offensichtlich, dass diese Th-17 Zellen keinen Schaden mehr anrichten können - im Gegenteil: Sie können zur Immunüberwachung im Gehirn beitragen.
Diese Entdeckung trägt nicht nur zum besseren Verständnis der Krankheitsabläufe bei MS bei. Sie erklärt auch, warum Natalizumab bei anderen, der MS ähnlichen Erkrankungen des ZNS – wie der Sehnerventzündung Neuromyelitis Optica (NMO) – nicht hilft. Hier werden die Krankheitsprozesse maßgeblich von Th17-Zellen vorangetrieben, die ungehindert von Natalizumab die Blut-Hirn-Schranke passieren können. Die Ergebnisse des münsterschen Wissenschaftlers könnten damit auch die Behandlung Th17-vermittelter Autoimmunerkrankungen verbessern, heißt es in der Urteilsbegründung der Preisjury.
Dr. Schneider-Hohendorf studierte zunächst Biologie an der Universität Würzburg. Im Jahr 2010 wechselte er mit der Forschungsgruppe des Klinikdirektors und MS-Spezialisten Prof. Heinz Wiendl nach Münster. Seine Dissertation befasste sich mit Mechanismen der Einwanderung von Immunzellen in das Gehirn und mündete in mehrere Fachartikel, die ihn als Erst- und Co-Autor ausweisen.
Der mit 1.500 Euro dotierte Herbert-Fischer-Preis der DGFI wird an Doktoranden und Junior-Postdoktoranden aus der Neuroimmunologie verliehen. Die Arbeiten müssen sich durch eine herausragende Qualität auszeichnen und in Deutschland durchgeführt worden sein. Dotiert wird die Auszeichnung von der Rosa-Laura-und-Hartmut-Wekerle-Stiftung.
Bei einem MS-Schub dringen viele Immunzellen über die Blut-Hirn-Schranke ins zentrale Nervensystem (ZNS) ein. Dort lösen sie eine Überreaktion des Immunsystems aus, welche die Nervenzellen schädigt. MS-Therapien sollen diesen Prozess verhindern oder zumindest eindämmen, also die schädigenden Zellen aussperren und so die Überreaktion drosseln. Zugleich müssen aber die grundlegenden Immunfunktionen weiterhin erhalten bleiben, weil es sonst zu schweren Infektionen kommen kann. Dies ist ganz ohne Immunzellen nicht möglich – und die Balance der verschiedenen Zelltypen somit der Schlüssel zur Therapie. Beim Wirkstoff Natalizumab ist dieser Drahtseilakt offenbar geglückt – und Schneider-Hohendorf fand heraus, weshalb.
Der Wissenschaftler aus der Arbeitsgruppe von Prof. Heinz Wiendl analysierte über einen Zeitraum von fünf Jahren Blut und Nervenwasser von MS-Patienten, die mit Natalizumab behandelt wurden. Der therapeutische Antikörper blockiert das Very-Late-Antigen 4 (VLA-4) auf der Zelloberfläche der Immunzellen und verhindert so, dass sie über die Blut-Hirn-Schranke in das zentrale Nervensystem einwandern. Diese Strategie verringert MS-Schübe und damit die Bildung neuer Entzündungsherde im Gehirn sehr effektiv. Die neue Erkenntnis: Die Einnahme des Präparates blockiert die wichtige Immunüberwachung des ZNS offenbar nicht komplett. Wenige spezialisierte T-Zellen - die Th17-Zellen - können die Blut-Hirn-Schranke auf alternativem Weg durchdringen. Sie nutzen statt VLA-4 das Molekül MCAM. Th17-Zellen wurden bisher bei immun-vermittelten Erkrankungen des Nervensystems grundsätzlich als schädlich angesehen. Wird ein Patient jedoch mit Natalizumab behandelt verändert sich das zuvor entzündliche Milieu im ZNS derart offensichtlich, dass diese Th-17 Zellen keinen Schaden mehr anrichten können - im Gegenteil: Sie können zur Immunüberwachung im Gehirn beitragen.
Diese Entdeckung trägt nicht nur zum besseren Verständnis der Krankheitsabläufe bei MS bei. Sie erklärt auch, warum Natalizumab bei anderen, der MS ähnlichen Erkrankungen des ZNS – wie der Sehnerventzündung Neuromyelitis Optica (NMO) – nicht hilft. Hier werden die Krankheitsprozesse maßgeblich von Th17-Zellen vorangetrieben, die ungehindert von Natalizumab die Blut-Hirn-Schranke passieren können. Die Ergebnisse des münsterschen Wissenschaftlers könnten damit auch die Behandlung Th17-vermittelter Autoimmunerkrankungen verbessern, heißt es in der Urteilsbegründung der Preisjury.
Dr. Schneider-Hohendorf studierte zunächst Biologie an der Universität Würzburg. Im Jahr 2010 wechselte er mit der Forschungsgruppe des Klinikdirektors und MS-Spezialisten Prof. Heinz Wiendl nach Münster. Seine Dissertation befasste sich mit Mechanismen der Einwanderung von Immunzellen in das Gehirn und mündete in mehrere Fachartikel, die ihn als Erst- und Co-Autor ausweisen.
Der mit 1.500 Euro dotierte Herbert-Fischer-Preis der DGFI wird an Doktoranden und Junior-Postdoktoranden aus der Neuroimmunologie verliehen. Die Arbeiten müssen sich durch eine herausragende Qualität auszeichnen und in Deutschland durchgeführt worden sein. Dotiert wird die Auszeichnung von der Rosa-Laura-und-Hartmut-Wekerle-Stiftung.