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Körpereigene Fette beeinflussen psychische Erkrankungen: Hilfe durch spezifische Hemmstoffe?

War maßgeblich an der neuen Studie in der “Molecular Psychiatry“ beteiligt: Institutsdirektor Prof. Robert Nitsch (Foto: Wattendorff)

Köln/Münster (uk/ums) - Erhöhte Werte körpereigener bioaktiver Fette, die im Gehirn die Erregungsübertragung zwischen den Gehirnzellen beeinflussen, fördern psychische Erkrankungen. Die Behandlung mit einem Hemmstoff, der die Aktivierung der Fette im Gehirn verhindert, kann diesen Mechanismus jedoch wieder ins Gleichgewicht bringen. Das zeigt eine aktuelle Studie zum Zusammenhang zwischen synaptischen Lipidsignalen im Gehirn und psychischen Störungen. Diese Forschungsergebnisse, die neue Wege für die Behandlung von psychischen Erkrankungen eröffnen können, wurden jetzt in der Fachzeitschrift Molecular Psychiatry veröffentlicht.

Die Teams um Prof. Johannes Vogt am Department of Molecular and Translational Neurosciences der Universität zu Köln, Prof. Robert Nitsch am Institute of Translational Neuroscience der Universität Münster sowie Partner an weiteren Universitäten untersuchten die Rolle des Enzyms Autotaxin und dessen Gegenspieler, das Protein PRG-1, in der Regulierung des Gleichgewichts zwischen Erregung und Hemmung in den Gehirnen von Menschen und Mäusen. Die Forschungen wurden unter anderem im Sonderforschungsbereich 1451 „Schlüsselmechanismen normaler und krankheitsbedingt gestörter motorischer Kontrolle“ durchgeführt.

Das Projekt unter der Leitung von Vogt und Nitsch befasst sich mit dem Gleichgewicht zwischen Erregung und Hemmung im Gehirn und dessen Auswirkung auf die Motorik. Auch bei psychischen Störungen spielt dieses Gleichgewicht eine wichtige Rolle. Bei der Erregung bewirken neuronale Schaltkreise, dass Informationen weitergegeben werden und weitere Neuronen aktivieren; bei der Hemmung wird diese Informationsweitergabe unterbrochen.  

Die Arbeitsgruppen in Köln und Münster haben in vorherigen Untersuchungen bereits gezeigt, dass körpereigene Fette im Gehirn durch das Enzym Autotaxin aktiviert werden und dort am zentralen Checkpoint der Signalübertragung, der kortikalen Synapse, die Nervenzellaktivität stimulieren. Dadurch verändern sie die Informationsverarbeitung in Netzwerken des Gehirns.

Nun haben die Forschenden die funktionellen Folgen einer Veränderung im Signalgleichgewicht bei 25 Individuen analysiert, welche durch eine genetische Störung eines Gegenspielers von Autotaxin hervorgerufen wurde, der aktivierte Fette an der Synapse reduziert. Unter Verwendung verschiedener Methoden zur Erfassung der Hirnströme  und -aktivität sowie psychologischer Tests fanden die Forschenden spezifische Veränderungen, die auch bei Patientinnen und Patienten auftreten, sogenannte intermediäre Phänotypen psychischer Erkrankungen. Hierbei können zum Beispiel vergleichbare Muster der Gehirnaktivierung sowohl bei Betroffenen als auch bei deren klinisch gesunden Angehörigen gemessen werden.

Zusätzliche Untersuchungen im Mausmodell ergaben, dass Tiere, die eine gleichartige genetische Störung aufwiesen, vergleichbare Symptome zeigten: erhöhte Ängstlichkeit, ein depressiver Phänotyp und eine geringere Stress-Resilienz. Die Synchronisation und der Informationstransfer zwischen Gehirnarealen war bei Menschen und Mäusen vergleichbar verändert. „Die Studie weist darauf hin, dass die Regulation von Erregung und Hemmung durch synaptische Lipidsignale eine entscheidende Rolle bei der Entstehung psychischer Störungen spielt“, sagt Professor Vogt.

Autotaxin ist das Schlüsselenzym der Fettaktivierung in den Gehirnen von Mäusen und Menschen. Der aufgrund der genetischen Störungen erhöhte Erregungszustand der Netzwerke konnten durch die Gabe spezifischer Hemmstoffe des Autotaxins wiederhergestellt werden. Diese Erkenntnisse zeigen den Forschenden zufolge neue Perspektiven für die Diagnose und Therapie solcher Störungen auf. „Die gezielte Modulation synaptischer Lipidsignale durch hirngängige Autotaxin-Hemmer könnte Möglichkeiten zur Behandlung psychischer Störungen eröffnen“, resümiert Prof. Nitsch. In zukünftigen Untersuchungen planen die Forschenden, diese Ansätze weiter zu verfolgen und ihre Wirksamkeit und Sicherheit in klinischen Studien zu überprüfen.

Link zur Studie bei PubMed

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