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Millionenförderung für münsterschen Biochemiker: Mario Schelhaas erhält Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrates
Münster (cim/upm) - Dr. Mario Schelhaas von der Universität Münster (WWU) hat sich im Wettbewerb um eine renommierte Förderung des Europäischen Forschungsrates (European Research Council, ERC) durchgesetzt. Die Förderung gilt als besonders prestigeträchtig und ist mit bis zu zwei Millionen Euro dotiert. Es ist der erste „Consolidator Grant“ des ERC für einen Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der WWU.
Der Biochemiker Mario Schelhaas forscht am Institut für Molekulare Virologie und am Institut für Medizinische Biochemie. Am Exzellenzcluster „Cells in Motion“ (CiM) der WWU ist er als Gruppenleiter beteiligt. Mit dem Grant fördert das ERC seine Arbeit mit 1,9 Millionen Euro über eine Laufzeit von fünf Jahren. „Mit dieser Unterstützung kann ich meine Forschung auf die nächste Stufe bringen“, sagt Mario Schelhaas. Er und sein Team beschäftigen sich mit Infektionsprozessen von Viren. Zum einen untersucht er, wie krebserregende Viren in Zellen eindringen, die zum Beispiel Gebärmutterhalskrebs auslösen. Zum anderen verfolgt er den Infektionsprozess, um zu verstehen, wie zelluläre Prozesse ablaufen, die für den gesunden Menschen unabdingbar sind. Dabei nutzt er die Viren quasi als mikroskopische Spione. Bisher hat Mario Schelhaas solche prinzipielle Mechanismen an Zellkulturen erforscht. Mit dem ERC-Grant wird er die Komplexität seiner Experimente erhöhen und zum ersten Mal untersuchen können, ob und inwiefern Einflüsse wie der Alterungsprozess oder Vorerkrankungen die bekannten Mechanismen und damit den Infektionsprozess beeinflussen.
Die Förderlinie „Consolidator Grant“ richtet sich an Nachwuchswissenschaftler zwischen sieben und zwölf Jahren nach der Promotion. Sie unterstützt den Aufbau oder die Verstetigung eines unabhängigen exzellenten Forschungsteams. Der ERC will durch die Förderung die Kreativität junger, vielversprechender Wissenschaftler unterstützen und helfen, neue Ideen in die Forschung zu tragen. „Andere Grants, solche als Anschubhilfe und solche für bereits etablierte Forscher, sind bereits nach Münster gegangen. Dass nun erstmals auch der dazwischen positionierte Consolidator Grant an einen Wissenschaftler aus der Medizinischen Fakultät vergeben wurde, bestätigt unsere Nachwuchsarbeit“, freut sich der Dekan der Fakultät Prof. Wilhelm Schmitz.
Weitere Informationen zu Dr. Mario Schelhaas und seinem Projekt:
„Wir wollen Virusinfektionen nicht getrennt von ihrer Umwelt erforschen“, sagt Mario Schelhaas. „Zellen stehen in unserem Körper nie allein, sondern sie haben eine besondere Beziehung zu den umgebenden anderen Zellen und Strukturen aufgebaut. Diese Beziehung wird nicht nur von den beteiligten Zellen beeinflusst, sondern auch vom Alter und Vorerkrankungen des Organismus.“ Deshalb freut er sich über die Förderung. Denn nun kann er seine bisherigen Erkenntnisse erstmalig in komplexeren Systemen untersuchen. Bisher betrachtete er die Bewegung von Viren und ihre Interaktion mit Makromolekülen und Proteinen in Zellen und im Reagenzgefäß auf kleinster Ebene bis in den Nanometer-Bereich. „Wir haben auf diese Weise viele Mechanismen entdeckt, die grundlegend für einen Infektionsprozess und die Zelle sind“, sagt Mario Schelhaas. Unklar ist allerdings bisher: Wie relevant sind diese Mechanismen für eine Virusinfektion, wenn sie in einem Körper auftritt – und nicht in einer Petrischale herbeigeführt wird? Mario Schelhaas knüpft nun genau dort an: Zunächst führt er seine Versuche mit seinem Team in einem dreidimensionalen Hautmodell fort, in dem ein Virus eine künstlich hergestellten Haut mit mehreren Zellschichten durchdringen muss, um überhaupt zur Zielzelle zu gelangen. Noch komplexer wird die Forschung, wenn die Wissenschaftler ihr Wissen in ganzen Organismen auf Beständigkeit prüfen. „Nur so können wir erkennen, welche Rolle diese Prozesse tatsächlich spielen, wenn ein Virus einen Körper infiziert“, sagt Mario Schelhaas. „Schließlich ist ein Körper deutlich komplexer als eine einzelne Zelle.“ Zu guter letzt wird er die Bedeutung von Alterungsprozessen und Vorerkrankungen testen. „Wir werden alle älter“, sagt Mario Schelhaas. „Und wir wissen bereits, dass wir im Alter einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt sind, verstehen aber nicht wirklich wieso und können uns daher auch nicht gut dagegen wehren.“
Für seine Forschung sind Kooperationen mit anderen Fachrichtungen entscheidend. Mario Schelhaas arbeitet daher eng mit WWU-Kollegen im Sonderforschungsbereich 629 „Molekulare Zelldynamik: Intrazelluläre und zelluläre Bewegungen“ und des Graduiertenkollegs 1409 „Pathogen Interaktionen mit biotischen Oberflächen“ zusammen. Für seinen ERC-Grant will er auch mit dem European Institute for Molecular Imaging (EIMI) an der Universität Münster zusammenarbeiten. Ein entsprechend interdisziplinäres, sogenanntes Pilotprojekt wird bereits vom CiM-Exzellenzcluster gefördert.
Mario Schelhaas, Jahrgang 1973, studierte an der Universität zu Köln Chemie, erarbeitete sich ein biologisches Grundlagenwissen an der University of Edinburgh, in Schottland. In seiner Diplomarbeit am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln beschäftigte er sich mit dem Hormontransport in Pflanzen. In seiner Promotion am Max-Planck-Institut für neurologische Forschung in Köln befasste er sich mit Herpesviren, danach forschte er an der ETH Zürich erstmalig an krebserregenden Viren. Im Jahr 2009 baute er an der WWU seine erste Forschungsgruppe auf, unterstützt vom Emmy-Noether-Programm für junge Nachwuchsforscher der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Ende 2015 erhielt Mario Schelhaas mit Prof. Dr. Thilo Stehle von der Universität Tübingen den Zuschlag der DFG für eine neue Forschergruppe.