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Präzisionsmedizin made in Münster: Arbeitsgruppe Bäumer erhält 1,6 Millionen Euro vom Bundesforschungsministerium
Münster (mfm/nn) – Soll eine wertvolle und gleichzeitig sehr fragile Fracht sicher an ihren Bestimmungsort kommen, bedarf es dafür einer besonderen Verpackung und eines zuverlässigen Transportweges. Dieselbe Herausforderung stellt sich auch in der Anwendung von Krebstherapien, wenn die Behandelnden ein neuartiges Therapeutikum präzise in die Krebszellen einbringen wollen. Diesem Problem widmet sich eine Arbeitsgruppe um Dr. Sebastian Bäumer, Dr. Nicole Bäumer und den emeritierten Onkologen Prof. Wolfgang Berdel: Sie beschäftigt sich an der Universität Münster mit der Nutzung von siRNA-Nanoträgern als Präzisionsmedizin in der Krebstherapie - und das mit Erfolg: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die Arbeit des Teams aus seinem VIP+-Programm bis September 2026 mit 1,6 Millionen Euro.
Durch ihre Forschung hat die an der Medizinischen Klinik A - Hämatologie, Hämostaseologie, Onkologie und Pneumologie der Uniklinik angesiedelte Arbeitsgruppe ein neuartiges Therapiekonzept für die Behandlung von Lungen- und Darmkrebs entwickelt. Dabei wird das natürliche Protein Protamin mit der an sich instabilen siRNA - das sind kurze Ribonukleinsäure-Moleküle - „beladen“. Zudem werden Antikörper an das Protamin gebunden, die in der Lage sind, Tumorzellen zu identifizieren. Durch die Kombination dieser Substanzen entstehen spontan kleine Partikel, die siRNA-Nanoträger, die im Blut gezielt zu den Tumorzellen transportiert werden.
Um im Bild der Frachtzustellung zu bleiben: Der Inhalt der Lieferung, hier die siRNA, wird durch das Protein Protamin geschützt und abgefedert. Die Antikörper übernehmen die Funktion des Boten, der das Paket sicher an Ort und Stelle bringt. Sobald das Paket an der richtigen Adresse ankommt – in diesem Fall bei der Tumorzelle –, hemmt die siRNA beispielsweise die Bildung des KRAS-Proteins. Dieses Protein, als besonders krebsfördernd bekannt, tritt häufig mutiert in Tumoren wie Lungen- und Darmkrebs auf. Diese neue Präzisionsmedizin – also der sichere Transport von siRNA in Nanoträgern – verspricht gezielter, effektiver und zugleich verträglicher zu sein als gegenwärtige Therapeutika. „Zudem können siRNA und Antikörper an sehr viele Zelltypen und damit Erkrankungen angepasst werden, was die Therapieentwicklung in Zukunft beschleunigen könnte“, ist Sebastian Bäumer überzeugt. „Für einige Leukämien, Lymphome und Sarkome haben wir das auch schon im Labor zeigen können“, ergänzt Nicole Bäumer.
Mit der Unterstützung des VIP+-Programms kann die Arbeitsgruppe die Entwicklung ihres Therapeutikums bis zu einem klinisch anwendbaren Wirkstoff vorantreiben. Dies markiert einen bedeutenden Schritt in Richtung einer Behandlung von bislang schwer heilbaren Krebserkrankungen. „Grundsätzlich könnte das modulare Nanoträger-Konzept auch auf andere Erkrankungen wie virale Infektionen oder neurodegenerative Erkrankungen adaptiert und übertragen werden“, blickt der AG-Leiter optimistisch nach vorn.