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Reihe „100 Jahre“ // Promovieren an der Medizinischen Fakultät: Gleich die erste Doktorarbeit zog Kreise bis in die USA

Reihe „100 Jahre“ // Promovieren an der Medizinischen Fakultät: Gleich die erste Doktorarbeit zog Kreise bis in die USA

Münster (mfm/sw) – Dass eine Doktorarbeit über das Internet verfügbar ist, ist heutzutage keine Besonderheit – egal, ob es sich um eine solche aus Harvard oder der Uni Münster handelt. Dass aber bereits vor 100 Jahren eine Dissertation bis „über den Teich“ kam, ist alles andere als selbstverständlich. Für Dr. Antonius Lepper, der 1925 als erster an der Medizinischen Fakultät der Universität Münster den Doktortitel erwarb, wurde das jedoch Realität: Seine als Buch gedruckte Schrift ist nicht nur in der deutschen, sondern auch der französischen Nationalbibliothek zu finden – und wurde von der Universität Michigan in den USA sogar gescannt und online gestellt. Auf Lepper sollten in den kommenden Jahrzehnten der Fakultätsgeschichte Tausende Doktorinnen und Doktoren folgen – und jährlich kommen etwa 260 dazu.

Doppelt hält besser, wird sich Lepper vielleicht gedacht haben. Er wurde 1900 im münsterländischen Nordwalde geboren und absolvierte zunächst – nach Einberufung im Ersten Weltkrieg – ein Studium der Zahnmedizin an der Uni Münster. Promoviert zum Dr. med. dent. wurde der gebürtige Westfale 1923 an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg – auch diese Doktorarbeit überschreitet schon (Landes-)Grenzen und steht heute unter anderem in der Staatsbibliothek in Berlin. Nur zwei Jahre später folgte die Promotion zum Dr. med. unter Betreuung durch Doktorvater Prof. Hermann Coenen – also durch niemand Geringeren als dem ersten Chirurgie-Professor der Uni Münster, der zudem maßgeblich an der Errichtung der Fakultät beteiligt war. Neben dem Erfolg im Ausland schlug die Dissertation auch auf lokaler Ebene Wellen: Die Arbeit des Zahn- und Humanmediziners erschien im münsterschen Traditionsverlag Regensberg als Buch.

Promotionen in der Medizin sind nach wie vor für viele Studierende dieses Faches Standard: Über die Hälfte von ihnen von ihnen krönt den Hochschulabschluss mit einem Doktortitel – so viele wie in keinem anderen Fach. Anders als in anderen Studiengängen kann die Doktorarbeit schon während des Studiums begonnen werden – nicht selten fangen Medizinstudierende bereits nach Abschluss des vorklinischen Studienabschnitts damit an. An der Medizinischen Fakultät werden Doktorarbeiten in der Human- und der Zahnmedizin verfasst, daneben auch solche in den medizinischen Wissenschaften (Titel: Dr. rer. medic.). Erstere machen den Großteil der Promotionen aus, zahnmedizinische Dissertationen gemeinsam mit den Arbeiten in den medizinischen Wissenschaften hingegen nur ein Viertel.

Dieser Verteilung entsprechend prägen humanmedizinische Themen auch eine unerfreuliche Episode in der Geschichte der Promotionen an der Medizinischen Fakultät der Uni Münster: Im Jahr 2014 machten „Plagiatsjäger“ die Einrichtung auf mehr als 20 Verdachtsfälle aufmerksam. Umgehend gründete die Fakultät eine auch mit externen Sachverständigen besetzte Untersuchungskommission; als Ergebnis wurden mehreren Ärztinnen und Ärzten ihre Doktortitel entzogen, weitere erhielten Rügen. Des Weiteren wurde die Promotionsordnung verschärft und alle Doktorarbeiten wurden fortan mittels einer leistungsfähigen Plagiatssoftware geprüft.

Im Vergleich zu Promotionen in anderen Fächern sind Doktorarbeiten in der (Zahn-)Medizin in der Regel deutlich kürzer – statt mehreren hundert Seiten kommen die Studien oft auch mit 20 aus. Das ist Nährboden für eine weit verbreitete Annahme – nämlich die, dass medizinische Promotionen qualitativ unter denen aus anderen Fächern liegen. Mit spezieller Nachwuchsförderung steuert die Medizinische Fakultät solchen Vorurteilen entgegen: So hat sie mit dem Promotionskolleg MedK ein Angebot geschaffen, über das Doktorandinnen und Doktoranden bei ihrer Arbeit finanziell wie inhaltlich unterstützt werden. In dem semesterweise startenden und ein Jahr laufenden Programm werden die jeweils 20 Stipendiaten von Mentoren begleitet und können zusätzliche theoretische und praktische Kurse besuchen. Auch das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Graduiertenkolleg „Chembion“ hält jährlich Plätze für Stipendiaten bereit, um erstklassige Studien anzuschieben und „High Potentials“ den Einstieg in die Forschung zu erleichtern. Eine Anerkennung für qualitativ besonders hochwertige Promotionen ist der mit 2.500 Euro dotierte Promotionspreis der Medizinischen Fakultät, der zweimal jährlich für Doktorarbeiten aus der eigenen Einrichtung vergeben wird.  

Die jüngeren Publikationen sind über die Dissertations-Datenbank der Medizin-Bibliothek abrufbar, die 2010 schon rund 4500 Doktorarbeiten enthielt – seitdem sind noch einmal über doppelt so viele hinzugekommen: Derzeit finden sich in dem Online-Verzeichnis über 10.000 Arbeiten seit dem Jahr 1990. Die Datenbank wird fortlaufend aus dem Bestand der Medizin-Bibliothek fortgeschrieben, die alle Studien für Interessierte im Original vorhält. Denn eines hat sich in den letzten 100 Jahren nicht geändert: Wer eine Doktorarbeit verfasst, muss sie der Öffentlichkeit – und somit der kritischen Betrachtung – zugänglich machen.

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