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Schlafstörungen bei Nervenkrankheiten: Dr. Matthias Boentert erhält Felix-Jerusalem-Preis der DGM
Münster (mfm/sw) – Im Fachjargon spricht man von Amyotropher Lateralsklerose, unter Laien einfach von ALS: Die Rede ist von der degenerativen Nervenkrankheit, die spätestens seit der „Ice-Bucket-Challenge“ weltweit bekannt ist. Daneben gibt es zahlreiche weitere neuromuskuläre Erkrankungen (NME), von denen viele – wie die ALS – unheilbar sind. Typische Symptome von NME sind meist motorischer Natur - doch Privatdozent Dr. Matthias Boentert von der Universität Münster widmete sich einer anderen Begleiterscheinung: den von den NME verursachten Schlafstörungen. Für seine Forschungen auf diesem Gebiet wurde der Mediziner nun mit dem Felix-Jerusalem-Preis der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke (DGM) ausgezeichnet. Der Award ist mit 7.500 Euro dotiert.
Das Spektrum der NME ist zwar breit, doch alle haben einen gemeinsamen Nenner: Beschwerden rund um die Muskulatur. Muskelschwäche, -schmerzen oder -krämpfe: Für NME-Erkrankte ist dies Alltag. Doch viele Betroffene leiden auch unter Schlafstörungen: Insbesondere schlafbezogene Atmungsstörungen beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen stark; Ursache hierfür ist meist eine Zwerchfellschwäche. Privatdozent Dr. Matthias Boentert, Oberarzt an der münsterschen Uniklinik für Neurologie, hat sich in seiner Forschung zum Thema „Schlaf und Atmung bei Patienten mit NME“ auf einzelne Krankheitsbilder konzentriert und dabei untersucht, welche Schlafstörungen mit welcher Häufigkeit vorkommen und mit welchen Charakteristika sich eine objektive Beeinträchtigung des Nachtschlafes im Schlaflabor nachweisen lässt.
Die Ergebnisse von Boenterts zahlreichen Studien belegen: Schlafstörungen und insbesondere schlafbezogene Atmungsstörungen sind ein häufiges Problem bei NME. Nicht nur bei ALS, sondern auch bei anderen, langsamer verlaufenden Erkrankungen können sie auftreten – und zwar in verschiedenen Formen: „Während beispielsweise die zentrale Schlafapnoe nur bei NME mit Beteiligung des Zentralnervensystems beschrieben ist, wie Mitochondriopathien und der myotonen Dystrophie Typ 1, stehen bei allen anderen NME potentiell die obstruktive Schlafapnoe und insbesondere die Hypoventilation durch die Zwerchfellschwäche im Vordergrund“, erklärt Boentert.
Mit seinen Studien betritt der 47-Jährige ein relativ unbekanntes Terrain: „Sowohl unter Versorgungs- als auch Forschungsaspekten haben Schlaf und Atmung bei Patienten mit NME zumindest in Deutschland bisher nur wenig Beachtung gefunden“, bedauert der Neurologe. Mit seinen Arbeiten will er dies ändern – und vor allem die Versorgungssituation der Betroffenen verbessern. Hierfür spielt zum Beispiel die Erkenntnis eine Rolle, dass die kontinuierliche nicht-invasive Messung der Kohlendioxid-Konzentration im Blut die empfindlichste Methode darstellt, um die Folgen der Zwerchfellschwäche für die Atmung im Schlaf zu erkennen. Auf diese Weise kann die medizinische Indikation zu einer nächtlichen Beatmungstherapie frühzeitig gestellt werden, wodurch eine Verbesserung der Schlafqualität - und bei Patienten mit ALS besonders auch der Lebenserwartung - erreicht werden kann. Auch einfachere Untersuchungsverfahren, wie die Messung der Vitalkapazität im Sitzen und Liegen, können laut Boentert Aufschluss über eine behandlungsbedürftige Atemmuskelschwäche geben – und sollten nicht nur beim Lungenfacharzt, sondern auch in neurologischen Ambulanzen oder Praxen durchgeführt werden.
Der Felix-Jerusalem-Preis würdigt herausragende Forschungen auf dem Gebiet der neuromuskulären Erkrankungen. Nach Ansicht der Jury hat Schlafmediziner Boentert mit seinen Studien der letzten Jahre einen erheblichen Beitrag dafür geleistet, dass die Berufskollegen den neurologisch bedingten Schlafstörungen mehr Beachtung schenken.