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Wie immun ist Deutschland wirklich? Forschungsprojekt zeigt guten Corona-Schutz der Bevölkerung - und Lücken
Münster (mfm/sw) – Wie viele Personen waren schon infiziert, wer gilt als immun, wer ist gesundheitlich gefährdet? Antworten auf diese Fragen hat ein Konsortium in einer vom Bundesforschungsministerium (BMBF) mit drei Millionen Euro geförderte Studie gefunden – und nun einen Abschlussbericht vorgelegt. Demnach ist ein Großteil der Bevölkerung moderat bis sehr gut vor einem schweren Verlauf von COVID-19 geschützt. Allerdings: Bei besonders vulnerablen Patienten, wie älteren oder vorerkrankten Menschen, bestehen relevante Lücken im Immunschutz. Beteiligt an dem Verbundprojekt war auch die Westfälische Wilhelms-Universität (WWU) Münster: Prof. André Karch, stellvertretender Direktor des Instituts für Epidemiologie und Sozialmedizin, war an der Auswertung der Daten beteiligt und saß im Lenkungsausschuss des Projektes.
Mit dem Wegfall vieler Corona-Schutzmaßnahmen – wie der Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr – gilt die Corona-Pandemie für viele als beendet. Gleichwohl: Um für kommende Infektionswellen und Pandemien gerüstet zu sein, bedarf es eines Überblicks des Immunschutzes in Deutschland. Gemeinsam mit Dr. Berit Lange vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig hat WWU-Epidemiologe Karch die Zusammenführung und Analyse der neu erhobenen Daten von über 33.000 Teilnehmenden aus neun epidemiologischen Studien koordiniert. Das Forschungsteam teilte die Bevölkerung in vier Schutzniveau-Kategorien ein – abhängig davon, wie viele Impfungen und/oder Infektionen mit SARS-CoV-2 berichtet und durch Antikörperbestimmung in Blutproben bestätigt wurden. Das Ergebnis: Insgesamt war der Schutz vor einem schweren COVID-19-Verlauf beim größten Teil der Bevölkerung moderat bis sehr gut; bei 37 Prozent der Teilnehmenden über 79 Jahre stellte das Projektteam jedoch einen geringeren Schutz vor schweren Verläufen fest. In der Gruppe mit Vorerkrankungen war dieser Anteil teilweise sogar noch höher – damit könnten spezifische Schutzmaßnahmen in künftigen Infektionswellen noch bedeutender werden.
Neben Daten aus einer neu durchgeführten Querschnittsstudie wurden vor allem bestehende Kohorten als Basis genutzt – unter anderem die NAKO-Gesundheitsstudie, bei der rund 10.000 Münsteranerinnen und Münsteraner mitgemacht haben. Eine Besonderheit an IMMUNEBRIDGE: Die Daten wurden über einen im Wissenschaftsbereich vergleichsweise kurzen Zeitraum gewonnen und ausgewertet – mit zufriedenstellenden Ergebnissen für das Projektteam. „Insgesamt zeigen wir, wie ein Netzwerk epidemiologischer Studien die Bereitstellung schnell benötigter Vorhersagen zur Belastung des Gesundheitssystems unterstützen kann, insofern Datenerfassung, Laboruntersuchungen, Datenverknüpfung und Datenanalyse harmonisiert sind“, so Berit Lange. Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger sieht das IMMUNEBRIDGE-Projekt als eine hervorragende Grundlage für ein Netzwerk epidemischer Panel, das zum Zwecke der Pandemievorbereitung und für das optimale Management von Epidemien in Zukunft benötigt werde. Mit den Daten könne ein vom BMBF neu aufgebautes Modellierungsnetzwerk für schwere Infektionskrankheiten, genannt MONID, Modellberechnungen für kommende Infektionslagen erstellen.
IMMUNEBRIDGE ist Teil des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM), das 2020 vom BMBF als ein Instrument zur Erforschung – und damit auch Bekämpfung - der Corona-Pandemie ins Leben gerufen wurde. Sein Ziel ist die Bündelung von neuen Erkenntnissen zum Auslöser-Virus an allen deutschen Unimedizin-Standorten. Es handelt sich um eine bislang einzigartige Initiative zur Vernetzung und Bündelung von Kompetenzen, Ressourcen und Forschungsaktivitäten.