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Wie sich „gute“ Bakterien von „schlechten“ unterscheiden und wie bestimmte Arten Krebszellen regulieren könnten: Studie weist neue Wege

Arbeitsgruppenleiter und Direktor des Bereichs „Mikrobielle Genomplastizität“ am Institut für Hygiene: Prof. Ulrich Dobrindt (Foto: M. Steffen)

Münster (mfm/sw) - Viele Bakterien leben in enger Gemeinschaft mit dem menschlichen Wirt - sowohl harmlose (Kommensale genannt) als auch Krankheitserreger. Escherichia coli ist ein gutes Beispiel: Einerseits ist diese Art ein harmloser Darmbewohner, der zum normalen Darmmikrobiom gesunder Menschen gehört, andererseits kann sie schwere Infektionen außerhalb des Darmes verursachen: zum Beispiel in den unteren und oberen Harnwegen, hervorgerufen durch uropathogene E. coli (UPEC). Wie sich Bakterien in unterschiedlichen Nischen des Körpers verhalten und wie sie mit den Körperzellen interagieren, hat eine Forschungsgruppe um Prof. Ulrich Dobrindt vom Institut für Hygiene der Universität Münster in Zusammenarbeit mit Kollegen von der Universität Lund untersucht. Die Ergebnisse der deutsch-schwedischen Kooperation sind nun in der renommierten Fachzeitschrift Nature Biotechnology erschienen.

Gemeinsam mit der schwedischen AG um Catharina Svanborg untersucht die münstersche Forschungsgruppe seit vielen Jahren UPEC-Bakterien – und widmet sich dabei insbesondere den Mechanismen, die für die Infektionen der Harnblase und Niere verantwortlich sind. Hierbei spielen die Interaktionen zwischen Bakterien und Wirtszellen eine wichtige Rolle, denn durch sie werden Bakterien vom Wirt erkannt, was wiederum bei diesem zu einer Auslösung angeborener Abwehrreaktionen führt. Die Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre haben aber noch weitere Fähigkeiten von UPEC aufgedeckt: Neben Giftstoffen und angeborenen Immunaktivatoren mit zerstörerischer Wirkung produziert UPEC auch Moleküle, die grundlegende zelluläre Funktionen in den Wirtszellen beeinflussen, so die Transkriptionsmaschinerie. Die Konsequenz: Krankheitserregende Bakterien schwächen die Abwehrreaktionen des Wirtes ab und programmieren Körperzellen zu ihrem eigenen Nutzen um.

Die jüngste Studie der internationalen Forschungsgruppe zeigt: Die Wirkungen von UPEC gehen weit über Harnwegsinfekte hinaus – und betreffen auch Krebszellen. Dabei spielen sogenannte Protoonkogene eine wichtige Rolle: Normalerweise regulieren diese das Wachstum von Körperzellen. Mutieren sie allerdings, können sie für unkontrolliertes Zellwachstum und somit für Krebsentstehung verantwortlich sein. Als ein wichtiges Protoonkogen gilt c-myc. Das entsprechende c-MYC-Protein ist ein wichtiger Regulator für zelluläres Wachstum, den zellulären Stoffwechsel sowie die Gewebeentwicklung. Die erhöhte Expression dieses Proteins wird auch mit der Transformation, also dem Übergang zu unkontrolliertem Zellwachstum bei Krebsentstehung, in Verbindung gebracht.

Für eine erfolgreiche Krebsbehandlung ist häufig die Inhibition (Hemmung) von c-MYC erforderlich - aber bisher kaum praktikabel. An dieser Stelle kommen UPEC ins Spiel: Die Autoren der Studie fanden heraus, dass UPEC auch den Transkriptionsfaktor c-MYC als einen Angriffspunkt in Wirtszellen verwenden, um zelluläre Eigenschaften zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Die Gruppe um Dobrindt und Svanborg zeigte, dass UPEC die Wirkung von c-MYC in Zellen des Wirtsgewebes reduzieren können. Die UPEC-Bakterien bilden ein bakterielles Enzym, das das c-MYC-Protein abbaut – die sogenannte Lon-Protease.

Die AG Svanborg konnte die therapeutische Wirksamkeit der künstlich hergestellten Lon-Protease in verschiedenen Krebsmodellen darlegen: Bei Mäusen verzögerte die Verabreichung der Lon-Protease in die Harnblase oder über das Futter die Tumorprogression, während es die Überlebensrate in c-MYC-abhängigen Blasen- bzw. Dickdarmkrebsmodellen erhöhte. Svanborg und Dobrindt zeigen sich zuversichtlich: Der Einsatz von Lon-Protease ist ein vielversprechender Ansatz für die therapeutische Bekämpfung von c-MYC. Da es bisher noch keine Möglichkeit gibt, die Funktion von c-MYC therapeutisch zu beeinflussen, wollen sich beide Teams künftig vertiefend befassen mit dem genauen Wirkmechanismus und der Präsentation der Lon-Protease durch die Bakterien während der Infektion in vivo (= am lebenden Organismus). Die entsprechenden Arbeiten der AG Dobrindt laufen im Sonderforschungsbereich 1009 „Breaking Barriers“ der Universität Münster.

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