AG Experimentelle Ophthalmologie
Unsere Forschung im Labor fokussiert sich vor allem auf neovaskuläre Erkrankungen der Netzhaut des Auges, die Frühgeborenenretinopathie und die neovaskuläre altersbedingte Makuladegeneration. Uns interessieren dabei sowohl die Wege, wie es zur Neovaskularisation kommt, als auch potenzielle Möglichkeiten, diese einzudämmen. Dabei ist auch die Rolle der intrinsischen Immunzelle der Netzhaut, der Mikroglia, von großem Interesse. Hierfür stehen uns zwei experimentelle Modelle mit Mäusen zur Verfügung. Neben diesem Thema untersuchen wir auch die Nutzbarkeit von Nanopartikeln für die Verabreichung von Wirkstoffen, untersuchen die Effekte von Anti-VEGF-Medikamenten auf die Mikroglia in Zellkultur und in der lebenden Maus, und kultivieren Zellen des retinalen Pigmentepithels auf Nanofasernetzen.
Neovaskuläre Erkrankungen am Augenhintergrund
In unserem Forschungslabor befassen wir uns mit der choroidalen Neovaskularisation (CNV), wie sie vor allem bei der fortgeschrittenen altersbedingten Makuladegeneration (AMD) auftritt, und der retinalen Neovaskularisation im Fall der Frühgeborenenretinopathie. Um die Vorgänge zu studieren, die sich bei der CNV abspielen, induzieren wir sie bei Mäusen mittels einer Laserbehandlung. Somit ist es uns möglich, sowohl den Verlauf der CNV zu studieren, bei welchem es zur Einwanderung von Immunzellen inklusive einer Entzündungsreaktion, Gewebsproliferation und dem Einwachsen von Blutgefäßen kommt. Auf dieser Grundlage untersuchen wir, welche therapeutischen Interventionen besonders geeignet erscheinen, um diese Vorgänge abzumildern oder zu stoppen und somit das Ausmaß der CNV zu verringern.
Frühgeborene müssen häufig eine gewisse Zeit in einem Inkubator mit erhöhtem Sauerstoffgehalt verbringen. Dies bremst die natürliche Gefäßbildung in der Netzhaut der Frühgeborenen, wodurch avaskuläre Zonen entstehen. Nach der Rückkehr der Frühgeborenen an die normale Atemluft tritt deshalb eine retinale Neovaskularisation auf, die mit fibrovaskulären Proliferationen, Netzhautablösungen und Sehverlust bis zur Erblindung führen kann. Wir simulieren diese Phänomene, indem neugeborene Mäuse für eine gewisse Zeit in eine Sauerstoffatmosphäre gegeben werden. Auch hier sind wir in der Lage, die pathologischen Prozesse zu untersuchen und zu quantifizieren. Wir testen an diesem experimentellen Modell verschiedene Wirkstoffe, die pro-angiogene Moleküle oder Signalwege hemmen, und untersuchen, inwiefern eine physiologische Angiogenese in den Gebieten der avaskulären Zonen abläuft und sich die Neovaskularisation hemmen lässt.
Rolle der Mikroglia und ihre Inhibierung bei der CNV
Wie bereits beschrieben, wandern in das Gebiet der durch eine Laserbehandlung initiierten choroidalen Neovaskularisation (CNV) Immunzellen ein. Dies geschieht in der akuten Phase, d. h. in einem Zeitraum von bis zu ca. vier Tagen nach der Laserbehandlung. Diese Immunzellen sind zum größten Teil positiv für den Marker für phagozytierende Monozyten, CD11b. Der größte Teil dieser Zellen sind Mikroglia-Zellen, die intrinsischen Immunzellen des Zentralen Nervensystems und damit auch der Retina. Außerdem findet sich in den Laserherden auch ein geringer Anteil an eingewanderten peripheren Makrophagen, dendritischen Zellen und neutrophilen Granulozyten. Diese Immunzellen sezernieren Wachstumsfaktoren und Zytokine, z.B. FGF-2, VEGF, IL-6 und TNF-a, wodurch Entzündungsreaktionen und die Neovaskularisation ablaufen.
Die Anwendung von Mikroglia-hemmenden Substanzen wie Minozyklin bewirkte eine deutliche Verringerung der Invasion von Mikroglia-Zellen in den Laserherd und eine Reduktion der Leckagen im Laserherd, und es werden weitere Substanzen getestet. Im Rahmen weiterer Untersuchungen überprüften wir, inwiefern die retinale Funktion beim Einsatz der Mikroglia-Inhibitoren erhalten bleibt. Hier stellte sich heraus, dass bei der Anwendung von Minozyklin oder des inhibitorischen Tripeptids TKP die Funktion der Netzhaut weitgehend erhalten bleibt, während sich beim Inhibitor purinerger Rezeptoren PPADS die Funktion der Netzhaut verschlechterte.
Wachstumsfaktoren und Zytokine bei der AMD
Im Modell der Laser-induzierten choroidalen Neovaskularisation (CNV) läuft nach der Laserbehandlung im Laserherd eine Reihe von komplexen Vorgängen ab, an denen eine ganze Reihe von Wachstumsfaktoren und Zytokinen beteiligt sind. Diese werden von den verschiedenen im Laserherd anwesenden Zellpopulationen exprimiert, wie den bereits erwähnten Immunzellen, vor allem Mikroglia-Zellen, aber auch den Endothelzellen der neovaskulären Gefäße, im Bereich des Laserherdes proliferierende Fibroblasten und Zellen des retinalen Pigmentepithels (RPE), welche vom Rand des Laserherds wieder in denselben hineinwachsen. Wir untersuchten die Expression von Wachstumsfaktoren wie VEGF, PDGF-β, FGF-2 und TGF-β sowie von Zytokinen wie IL-1β, IL-6, TNF-β und CXCL1. Außerdem überprüften wir die Expressionen von einigen Rezeptoren für diese Moleküle. Auf dieser Grundlage untersuchen wir, ob und in welchem Ausmaß sich die Neovaskularisation eindämmen lässt, wenn mittels spezifischer Antikörper diese Wachstumsfaktoren blockiert werden. Während die Blockierung von TGF-β bislang keine entsprechende Effekte zeigte, erhielten wir bei der Blockierung von VEGF, PDGF-β und CXCL1 allein oder in Kombination positive Ergebnisse.
Effekte von Lipofuszin auf die Mikroglia und das RPE
Die Zellen des retinalen Pigmentepithels (RPE) haben unter anderem die Funktion, das ganze Leben lang die äußeren Scheibchen der Außensegmente der Photorezeptoren zu phagozytieren und zu verdauen. Da die RPE-Zellen postmitotisch sind, d. h. sich nicht mehr teilen, reichern sich in ihnen im Laufe des Lebens nicht abbaubare oxidierte und quervernetzte Lipide und Proteine an, die sich in ehemaligen Lysosomen sammeln. Diese Ablagerungen werden Lipofuszin genannt. Die noch nicht vom RPE aufgenommenen Außensegmenttrümmer können ebenfalls bereits dem Lipofuszin ähnliche Bestandteile enthalten. Außerdem können die Zellen des RPE auch geringe Mengen Lipofuszin abgeben, solange die Partikel nicht allzu groß sind. Da im Alter Mikroglia-Zellen in den subretinalen Raum wandern, war es von Interesse, wie sie reagieren, wenn sie mit Lipofuszin konfrontiert werden. Deshalb inkubierten wir Mikroglia-Zellen mit aus menschlichen Spenderaugen isoliertem Lipofuszin und analysierten das resultierende Verhalten der Mikroglia-Zellen in Bezug auf die Phagozytose und die Expression von VEGF und einer Reihe von inflammatorischen Zytokinen. Besonders deutlich durch Lipofuszin stimuliert wurde die Freisetzung von IL-6, IL-23p19, RANTES, TNF-a, IL-1a und CXCL1. Unter dem Einfluss von Minocyclin wurde die Freisetzung dieser Zytokine signifikant abgesenkt. Im Augenblick laufen Vorbereitungen, ähnliche Untersuchungen auch mit RPE-Zellen durchzuführen.
Einsatz von Nanopartikeln
Nach wie vor stellt die effektive Gabe von Medikamenten eine besondere Herausforderung dar. Ein Weg, Wirkstoffe in hoher Konzentration zielgerichtet an den gewünschten Ort im Körper zu bringen, wird im Einsatz von Nanopartikeln gesehen, in denen diese Wirkstoffe eingeschlossen sind. Die Nanopartikel sollen als „Behälter“ für die Wirkstoffe dienen und im Idealfall die Wirkstoffe erst am vorgesehenen Ort freisetzen. In Kooperation mit Forschern der Agricultural University of Georgia in Tbilissi, untersuchen wir die Eigenschaften von Nanopartikeln in Bezug auf die Aufnahme in kultivierte Zellen, Penetration durch okuläre Gewebe und die Fähigkeit, eingeschlossene Wirkstoffe zu transportieren. Die Nanopartikel bestehen aus biologisch abbaubaren sogenannten Pseudoproteinen mit Polyesteramiden aus Sebacinsäure, Leucin und Hexandiol als Grundbaustein. Eingeschlossen werden als Farbstoffe Fluoresceindiamid, Rhodamin oder Nilrot sowie als Wirkstoff vorerst Dexamethason. Die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Nanopartikel wurden bereits charakterisiert. Die Untersuchungen laufen zum einen an Zellkulturen (Mikroglia, retinales Pigmentepithel), zum anderen an den Augen von Mäusen. Wir konnten bereits zeigen, dass die Nanopartikel nach topischer Gabe in das Auge eindringen. In der Zellkultur werden sie von den Zellen aufgenommen. Weitere Untersuchungen sind auf die therapeutische Wirksamkeit der mit Dexamethason beladenen Nanopartikel gerichtet.
Kultivierung von RPE-Zellen auf Nanofasernetzen
Bei einer Reihe von Augenkrankheiten verliert das sich zwischen Retina und Aderhaut befindliche retinale Pigmentepithel (RPE) seine Funktion und stirbt ab. Als unmittelbare Folge davon degenerieren auch die über dem RPE gelegenen Photorezeptoren, was zu Gesichtsfeldausfällen führt. Deshalb wird seit einer Reihe von Jahren untersucht, inwiefern defektes RPE ersetzt werden kann. Dazu wurden autologe Transplantationen versucht oder das Einbringen einer Suspension von Pigmentepithelzellen (retinal oder aus der Iris) in den subretinalen Raum. Am aussichtsreichsten erscheint die Variante, die zu implantierenden RPE-Zellen auf einem polymeren Träger, einer Folie, Membran oder einem Netz aufwachsen zu lassen und sie dann auf diesem Träger unter die Netzhaut zu bringen. Wir untersuchten deshalb bei uns diesen Ansatz, indem wir RPE-Zellen auf Netzen aus Nanofasern kultivierten. Diese Nanofasernetze bestehen aus einem Co-Polymer von Polycaprolacton und Chitosan, wurden mittels des „Elektrospinnings“ hergestellt und uns durch Prof. Dr. Fuchsluger (Rostock) zur Verfügung gestellt. Es zeigte sich, dass die RPE-Zellen an diese Netze adhärieren, wobei sie anfangs eine Reihe von inflammatorischen Cytokinen hochregulieren und sezernieren. Bedeutend verbessern ließen sich die Anzahl der adhärierenden RPE-Zelle und die Dauer der Adhäsion wenn in die Nanofasern zusätzlich Kollagen eingeschlossen wurde. Hier adhärierten in ersten Pilotversuchen die RPE-Zellen in einer hohen Dichte über ein halbes Jahr lang.
Einfluss der Anti-VEGF-Medikation auf die retinale Mikroglia
Bei Patient:innen mit der neovaskulären AMD werden seit einer Reihe von Jahren Anti-VEGF-Wirkstoffe gegeben. Dies wirkt bei einem Großteil der Patient:innen recht gut gegen ein weiteres Fortschreiten der Neovaskularisation und gegen die sich im Verlauf der Krankheit bildenden Ödeme in der Netzhaut. Allerdings lässt nach längerer Anti-VEGF-Medikation in manchen betroffenen Augen die Wirkung der Behandlung nach und es tritt eine geografische Atrophie zutage, d. h. eine Degeneration des RPE und der darüber liegenden Photorezeptoren. Um die Folgen einer Anti-VEGF-Behandlung auf zellulärer Ebene besser zu verstehen, isolieren und kultivieren wir Mikroglia-Zellen aus der Netzhaut des Schweins und inkubieren sie mit verschiedenen Anti-VEGF-Medikamenten. Während sich die Proliferation kaum änderte, wurde die Fähigkeit zur Phagozytose stark verringert. Da die Phagozytose von Abbauprodukten ein wichtiger Vorgang in der Retina ist, könnte hier ein Grund für Spätfolgen der Anti-VEGF-Medikation liegen. Deshalb untersuchen wir diesen Aspekt weiter und prüfen, ob die Mikroglia-Zellen durch eine geeignete Stimulierung ihre Fähigkeit zur Phagozytose wiedererlangen können.