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Nach 24 Jahren: Allrounder Ludwig Kiesel scheidet aus der Leitung der Uniklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe aus

Prof. Ludwig Kiesel gibt die Leitung der UKM-Frauenklinik zum 15. Juni ab, forscht aber weiter als Seniorprofessor zu wichtigen Themen der Frauengesundheit (Foto: UKM/Wibberg)

Münster (ukm/aw) - Er ist so lange „im Geschäft“, dass er noch in allen Spezialdisziplinen des breitgefächerten Fachs Frauenheilkunde umfassend ausgebildet wurde. Fast ein Vierteljahrhundert hat Prof. Ludwig Kiesel am Universitätsklinikum Münster (UKM) die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe als Direktor angeführt. Zum 15. Juni geht die Leitung auf seinen Nachfolger Prof. Lars Hanker über, der Universitätsklinikum Schleswig-Holstein nach Münster wechselt. Was sich in seinem Fach verändert hat und warum es medizinisch wie gesamtgesellschaftlich sinnvoll ist, Frauengesundheit stärker in den Blick zu nehmen, erklärt der scheidende Klinikchef im Interview.

Herr Prof. Kiesel, welche Ziele haben Sie sich bei Amtsantritt gesetzt und haben sich diese auch erfüllt?

Als ich im Jahr 2000 hier angetreten bin, waren meine Ziele in Klink und Forschung vielfältig und es freut mich, dass ich das meiste davon für unsere Klinik erreicht habe. Ich hatte zuvor schon zwei andere Universitäts-Frauenkliniken über viele Jahre klinisch kennengelernt und war auch im Ausland wissenschaftlich tätig. In Münster sah ich die Chance, die Behandlung von Patientinnen in vielen Bereichen der Frauenklinik längerfristig zu fördern. In unserem Fach können wir Patientinnen ein ganzes Frauenleben lang begleiten.

Das ist übrigens der Grund, wegen dem heute viele junge Ärztinnen und Ärzte zu mir sagen ‚Ich möchte in der Frauenklinik bleiben, weil das Fach so viele Möglichkeiten bietet‘. In der Realität ist es aber inzwischen zunehmend schwieriger geworden, das Fach in seiner ganzen Breite später ausüben zu können.

Was waren die medizinischen Meilensteine?

Es gab zu viele wichtige Fortschritte, um alle zu nennen. Mehrere wichtige Meilensteine entfallen auf die Krebsbehandlung, die operativen Therapien, die Geburtshilfe und die hormonabhängigen Störungen. Zum einen die zahlreichen Erkenntnisse zur Entstehung und Behandlung der Endometriose. Weiter war es der sehr erfolgreiche Einsatz der HPV-Impfung und überhaupt erst einmal die Feststellung, dass ein Virus für Krebserkrankungen, wie in diesem Fall Gebärmutterhalskrebs, verantwortlich sein kann. Oder auch die Erkenntnis, dass, wenn man mit einer gewünschten Hormonersatztherapie (HET) bereits kurz nach der letzten Regelblutung in der Menopause beginnt, manche degenerative Prozesse hinausgezögert oder verlangsamt werden. Die HET wurde lange Zeit einseitig negativ beurteilt; insbesondere wurde vermutet, dass sie Brustkrebs stark begünstigt. Das ist in dieser Form längst widerlegt. Belegt ist dagegen, dass sie, insbesondere bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Osteoporose, präventiv wirken kann. Es sterben weitaus weniger Frauen über 50 Jahren an Brustkrebs als an Herzinfarkt und Schlaganfall. Eine ‚Hormonangst‘ ist also nicht unbedingt angebracht.

Die Krankenhausstrukturreform steht bevor: Wird sie Antworten geben können auf die weitere Auffächerung des Fachs?

Die Reform wird viele medizinische Fachrichtungen in der Versorgung, aber auch in der Weiterbildung beeinflussen. Viele Krankenhäuser werden sich für einzelne Bereiche entscheiden müssen. Durch die starke Spezialisierung in einzelne Unterdisziplinen ist die gesamte Frauenheilkunde für den Einzelnen fachlich kaum mehr zu beherrschen, dafür ist das Wissen zu sehr gewachsen. Die Unikliniken sind sicherlich diejenigen, die sich da weiterhin am meisten spezialisieren müssen. Daher ist es für eine Universitätsfrauenklinik wichtig, mit allen Disziplinen, wie der gynäkologischen Onkologie, der Senologie, aber auch der Geburtshilfe und der Reproduktionsmedizin, spezialisiertes Wissen in Klinik und Forschung anzubieten.

Speziell in der Onkologie sehe ich durch die Strukturreform bei den Unikliniken das Potenzial, dort die führende Position in der Weiterentwicklung neuer Therapien weiter auszubauen. Die Krebsmedizin wird eine große Rolle spielen, aber das darf umgekehrt nicht heißen, dass gutartige Erkrankungen wie Endometriose oder Uterus-Myome, die zahlenmäßig überwiegen, nicht auch eine spezielle Expertise an Unikliniken haben.

Was sind die Themen der Zukunft?

National wie auch international kann man sehen, dass die Gesundheit von Frauen in ihren verschiedenen Lebensabschnitten viel mehr in den Vordergrund rückt. Themen wie die Menopause, die Endometriose und andere Hormonstörungen wie das Polyzystische Ovarialsyndrom gewinnen deutlich an Bedeutung. In diesem Jahr sind diese drei Gesundheitsthemen von großen Organisationen wie der WHO und sogar dem Weltwirtschaftsforum als vordringliche globale Zielen hervorgehoben worden.

Frauen haben Menopause- oder Endometriose-bedingt Beschwerden und viele Fehltage im Beruf oder in der Familienarbeit. Das ist auch ein massiver ökonomischer Faktor. Leider war es zuletzt so, dass wenig in diese Forschungszweige investiert wurde. Die Bundesregierung hat hierzu vor kurzem eine weitreichende Förderung gestartet. Es wäre sehr wünschenswert, dass diese Maßnahmen die Prävention, Lebensqualität und Arbeitskrafterhaltung bei Frauen weiter stärken.

Sie bleiben der münsterschen Unimedizin als Seniorprofessor erhalten. Mit welchen Forschungsschwerpunkten?

Mein besonderes Interesse galt und gilt der Erforschung von hormonabhängigem gutartigen und bösartigen Erkrankungen der Frau, das ist ein Thema, das im gesamten Frauenleben von Bedeutung ist. Die Medizinische Fakultät und das Uniklinikum ermöglichen es mir dankenswerterweise, dass ich mehrere dieser Forschungsprojekte, zum Beispiel zur Endometriose und zur experimentellen Brustkrebsforschung, weiter in nationaler wie auch internationaler Kooperation betreuen kann. Ein besonderes Interesse habe ich in diesem Zusammenhang auch an global bedeutenden Themen, wie der weiteren Erforschung der Menopause, die auch bei uns gesamtgesellschaftlich relevant ist.

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