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Dem Tumor auf der Spur: Forschungstrio aus Münster entschlüsselt die Strategien lymphatischer Krebszellen
Münster (mfm/nn) - Krebszellen sind Meister der Tarnung: Sie mutieren, verstecken sich und entkommen derart Therapien. Forschende der Universität Münster beschäftigen sich deswegen mit den genetischen Geheimnissen von Tumoren. Ihr Ziel: herausfinden, wie Krebszellen sich im Körper entwickeln, Therapien trotzen und Rückfälle verursachen. So auch Dr. Marcel te Vrugt und Gerrit Randau, beide aus der Pädiatrischen Hämatologie und Onkologie, sowie Priv.-Doz. Dr. Sarah Sandmann-Varghese aus der Medizinischen Informatik. Das interdisziplinäre Trio hat ein neues Verfahren entwickelt, um die Krebszellen aufzuspüren, die sich im lymphatischen Gewebe, im Blut und im Knochenmark verstecken, und ihre Strategien zu durchschauen. Für dieses Projekt wurde das Team jetzt mit dem mit 2.500 Euro dotierten Nachwuchsförderpreis der Deutschen Kinderkrebsstiftung und der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) ausgezeichnet.
Untersucht hat das Trio zwei spezielle Krebserkrankungen des lymphatischen Systems: das T-Zell-Lymphoblastische Lymphom (T-LBL) und die Akute T-Zell-Lymphatische Leukämie (T-ALL). Während sich T-LBL hauptsächlich auf Lymphknoten und andere lymphatische Organe beschränkt, verbreitet sich T-ALL im Blut und Knochenmark. Trotz ihrer Unterschiede sind beide Erkrankungen genetisch eng miteinander verwandt. Das Team analysierte Proben von Kindern und Erwachsenen mit T-LBL und T-ALL bei der Diagnose und bei Rückfällen. Zusätzlich wurde gesundes Gewebe untersucht, um Mutationsmuster zu finden, die für die jeweilige Erkrankung spezifisch sind, sodass diese individuell behandelt werden können.
Der Fokus lag dabei auf der sogenannten klonalen Evolution. Diese beschreibt, wie sich Tumorzellen im Verlauf der Krankheit genetisch verändern, neue Mutationen entstehen und bestimmte Zellgruppen – sogenannte Klone – dominieren oder verschwinden. „Wir haben herausgefunden, dass bestimmte genetische Muster typisch für die beiden Erkrankungen sind“, erklärt te Vrugt. Mithilfe bioinformatischer Methoden wurden die „Stammbäume“ der genetischen Veränderungen rekonstruiert. So wird nachvollzogen, wie Tumorzellen auf Therapien reagieren und warum manche Mutationen erst bei einem Rückfall auftreten.
Ein wichtiger Teil der Forschung war die Kombination von zwei genetischen Analysemethoden: Bulk-Next-Generation-Sequencing, wodurch kleine Veränderungen im Erbgut detektiert werden können, und SNP-Arrays, die das Auffinden größerer struktureller Varianten wie das Fehlen oder Hinzukommen ganzer DNA-Abschnitte ermöglichen. Durch die Berechnung der „Cancer Cell Fractions“ – der Anteile von Tumorzellen mit einer bestimmten Mutation – ist es möglich, die Ergebnisse aus der Analyse dieser unterschiedlichen Datentypen zusammenzuführen. „Mit unserer Methode können wir diese kombinierten Informationen zu genetischen Varianten in einen zeitlichen Kontext setzen und die klonale Evolution des Tumors rekonstruieren“, erklärt Sandmann. „Wir können so auch komplexe Tumor-Entwicklungen mit vielen Mutationen nachvollziehen und evolutionäre Trajektorien identifizieren, das heißt, Abfolgen von Mutationen, die für eine Erkrankungsgruppe spezifisch sind.“
Das Trio sieht in der Analyse der klonalen Evolution großes Potenzial: „Wir hoffen, zukünftig noch mehr Patientinnen und Patienten untersuchen zu können“, sagt Gerrit Randau. „Langfristig könnte unsere Arbeit dazu beitragen, die genetischen Besonderheiten der Erkrankungen zu entschlüsseln. Es ist unser Ziel, möglichst früh Risikogruppen bei unseren Patienten zu identifizieren und deren Therapie zu verbessern.“ Die GPOH ist die zentrale wissenschaftliche Fachgesellschaft für die Behandlung von Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Bereits zum fünften Mal wurde von ihr der Nachwuchsförderpreis verliehen, der herausragende Forschungsarbeiten in der Kinderonkologie würdigt.