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Gesichter als bunte Landschaften: Uni-Zahnmediziner entwickelten strahlungsfreies 3-D-Messsystem
Münster (mfm/pc) – Strahlungsfrei, exakt und vor allem anschaulich: Was optische Messtechnik heute leisten kann, beweist ein von Zahnmedizinern der Universität Münster (WWU) entwickelter 3-D-Scanner. Innerhalb von Sekunden erfasst er dreidimensional die Gesichtsoberfläche von Patienten. Fast drei Jahre dauerte die Testphase des Systems; jetzt hat der 3-D-Scanner die nach dem Medizinproduktegesetz vorgeschriebene Prüfung bestanden und kann zum Nutzen der Patienten klinisch eingesetzt werden.
Nicht High-Tech, sondern eine ausgeklügelte Verknüpfung gängiger Komponenten ist das Erfolgsrezept der Neuentwicklung: Ihr „Innenleben" besteht im Wesentlichen aus einem handelsüblichen lichtstarken Beamer sowie drei an einem Rundbogen befestigten Kameras. Die Apparatur, konstruiert in den Forschungswerkstätten der Medizinischen Fakultät, ist trotz ihrer Leistungsfähigkeit recht preiswert. Materialwert: kaum mehr als 5.000 Euro.
Bei der Untersuchung sitzt der Patient möglichst unbeweglich auf einem Stuhl vor dunklem Hintergrund, während ein Lichtstrahl über sein Gesicht gleitet und die Kameras eine Serie von Aufnahmen machen. Mit Hilfe einer von den Wissenschaftlern eigens für diesen Zweck programmierten Steuer- und Auswertungssoftware wird das Gesicht anschließend dreidimensional auf dem Bildschirm gezeigt. In unterschiedlichen Farben oder als „Berg-und-Tal-Ansicht" kann es nun dargestellt, gedreht und bis ins kleinste Detail vermessen werden.
In Bereichen wie der Automobilindustrie wird das Verfahren der Profilometrie bereits seit Jahren erfolgreich eingesetzt. „In der Medizin ist die Verbreitung aber noch sehr gering", berichtet Privatdozent Dr. Dieter Dirksen, der als Physiker das Projekt leitet. Dabei hat die Profilometrie gegenüber der Computertomographie einen entscheidenden Vorteil, wie Dirksen betont: „Sie kommt ganz ohne Röntgenstrahlen aus und kann deshalb bedenkenlos zum Beispiel auch bei Kindern angewendet werden."
Die Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde (Leitung: Prof. Ludger Figgener) sowie die Klinik für Mund- und Kiefer-Gesichtschirurgie (Prof. Ulrich Joos) der Uni-Zahnklinik engagieren sich bereits seit über zehn Jahren auf diesem Gebiet. Ein internes Forschungsförderprogramm der Medizinischen Fakultät der WWU hat es ermöglicht, dass Dr. Dirksen in Zusammenarbeit mit dem Kieferchirurgen Prof. Johannes Kleinheinz spezielle Anwendungen dieser Technik für die Kieferchirurgie entwickeln konnte.
Stellt zum Beispiel ein stark hervorstehender Unterkiefer nicht nur ein kosmetisches Problem dar, sondern beeinträchtigt er auch die Kaufunktion des Patienten, übernehmen die Krankenkassen die Kosten für eine operative Korrektur. Ob der Eingriff tatsächlich das gewünschte Ergebnis erbracht hat, ist mit dem neuen System nun viel einfacher und genauer feststellbar.
Die Einsatzmöglichkeiten reichen aber wesentlich weiter: So wurde in Kooperation mit Prof. Dr. Stefan Döring, Leiter des Bereiches Psychosomatik in der Zahnheilkunde, in einem weiteren Projekt untersucht, ob Patienten mit Essstörungen Gesichtsasymmetrien anders wahrnehmen und beurteilen. Hintergrund ist, dass die Betroffenen unter einer abweichenden Körperwahrnehmung leiden, der so genannten Körperschemastörung. Eine andere Anwendung ist die computergestützte Konstruktion künstlicher Gesichtsteile nach entstellenden Operationen.
Die Fachklinik Hornheide als Kooperationspartner erhält demnächst ein eigenes Exemplar des 3-D-Scanners. Außer dieser münsterschen Spezialklinik für die Behandlung von Hauttumoren ist an dem von der Deutschen Krebshilfe unterstützten Projekt auch das Ernst-von-Bergmann-Klinikum in Potsdam beteiligt.
Weiteres Bild zum Einsatz des Systems: Der von Prof. Johannes Kleinheinz (im Bild) und Kollegen an der Universitätszahnklinik entwickelte 3-D-Scanner benötigt nur etwa eine Sekunde, um die Gesichtsstrukturen der Probandin zu erfassen