Pionier der Energiewende: Vor zwanzig Jahren initiierte Prof. Köhnlein die ersten Windräder im Westmünsterland
Münster (mfm/mk) – Rund 50 Meter hoch ragen sie den Himmel. Errichtet auf dem Westerberg, der höchsten Erhebung der Baumberge nahe Münster, sind die beiden weithin sichtbaren Windräder ein modernes Wahrzeichen des Westmünsterlands geworden. Den Anstoß zu ihrem Bau gab vor zwanzig Jahren ein Wissenschaftler der Universität Münster: Prof. Wolfgang Köhnlein kam 1967 als Strahlenbiologe an die Hochschule und erforschte dort die Auswirkungen niedriger Strahlendosen auf den menschlichen Organismus – dabei wurde er zu einem entschiedenen Gegner der Atomenergie.
Die Studien, die diese Überzeugung in ihm reifen ließen, führte Köhnlein, der im Mai seinen 80. Geburtstag feierte, teilweise in Laboren der Universität Münster durch. 1967 verschlug es ihn nach seinem Studium der Mathematik und Physik in Karlsruhe und Heidelberg ins Münsterland. Zuvor hatte er als frisch promovierter Physiker außerdem bereits an der renommierten Yale Universität in New Haven, USA, gearbeitet. In Münster habilitierte er sich zunächst im Fach Strahlenbiologie und Biophysik und wurde 1975 als Professor an das Institut für Strahlenbiologie der Medizinischen Fakultät berufen. Der Universität Münster blieb Köhnlein 30 Jahre lang treu, privat allerdings wurde Havixbeck zu seiner Heimat und der Höhenzug der Baumberge damit zum Nachbarn.
Schon während seines USA-Aufenthaltes begann er, sich damit auseinanderzusetzen, wie Überlebende von Atomunfällen weiterleben – und stellte dabei mit amerikanischen Kollegen fest, dass viele Daten nicht ausreichend ausgewertet wurden. „Die vorherrschende Lehrmeinung war damals, dass kleine Strahlendosen keine Auswirkungen haben. Daher wurden vor allem die hoch Strahlungsbelasteten intensiv untersucht und die vielen Menschen, die geringer Strahlung ausgesetzt waren, nicht beachtet“, berichtet Köhnlein. In Münster setzte er seine Forschungen auf diesem Gebiet fort und wurde so immer mehr zu einem harten Kritiker der Energiegewinnung aus Atomkraft – auch bedingt durch die Reaktorunfälle in Harrisburg und Tschernobyl. Letzteren Ort besuchte er mehrfach und untersuchte die dortige Bevölkerung auf Rückstände atomarer Strahlung.
Anfang der 1990er Jahre dann veröffentlichte Köhnlein gemeinsam mit dem Kernphysiker Rudi Nussbaum eine bahnbrechende Studie, in der die beiden Autoren nachwiesen, dass auch kleine Dosierungen atomarer Strahlung das Krebsrisiko um den Faktor 10 steigen lassen. „Daraufhin entbrannte ein Streit zwischen Nuklearmedizinern, Radiologen und Strahlenbiologen über die Gefährlichkeit von Niedrigstrahlung“, erinnert sich Köhnlein, „und ich wurde teilweise sehr scharf kritisiert.“ Dennoch habe sich der Einsatz gelohnt: Beispielsweise werde bei Röntgenuntersuchungen heute darauf geachtet, dass die Patienten so wenig wie möglich bestrahlt werden.
Auch im privaten Bereich suchte Köhnlein nun nach Alternativen zum Strom aus Atomkraft: Gemeinsam mit Gleichgesinnten initiierte er 1993 den Bau der ersten modernen Windkraftanlagen des westlichen Münsterlands. Auf den Baumbergen nahe Havixbeck drehen sich heute diese Windräder und speisen pro Jahr rund 1,5 Gigawatt Strom ins öffentliche Netz ein. „Darauf bin ich besonders stolz“, so Köhnlein. „Und auch wenn sich die Investition für die Anleger von damals heute noch rentiert, steht für mich etwas anderes im Vordergrund, nämlich die Verantwortung für nachfolgende Generationen, zum Beispiel meine eigenen Kinder und Enkel“, so Köhnlein.
Aber nicht nur lokal, sondern auch auf deutschlandweiter und internationaler Ebene engagierte sich Köhnlein: So wurde er 1999 von der Bundesregierung in die Deutsche Strahlenschutzkommission berufen, die er zeitweise stellvertretend leitete, und war fünf Jahre lang Mitglied der Strahlenschutzkommission der Vereinten Nationen (UNSCEAR). 2009 bekam er für sein Engagement im Umweltschutz das Bundesverdienstkreuz.
Während dieser gesamten Zeit arbeitete er weiterhin als Professor in Münster und leitete bis zu seiner Emeritierung 1997 drei Jahre lang das Institut für Strahlenbiologie. „Hier erinnere ich mich besonders an die Freiheiten, die ein universitäres Umfeld bietet“, schildert Köhnlein: „Selbst wenn Differenzen bei einem solch sensiblen Thema nicht ausbleiben können, ging es doch immer um die Sache und ich habe sehr gerne hier gearbeitet“.
So blickt der 80-Jährige auf ein erfülltes Leben sowohl in beruflicher als auch privater Hinsicht zurück: „Wirklich traurig ist nur, dass meine Frau so früh gehen musste“, sagt er wehmütig. Ebenso wie ihr Mann war Lieselotte Köhnlein Trägerin des Bundesverdienstkreuzes, sie starb 2008 an Krebs. „Insgesamt habe ich aber viel Glück gehabt und intensiv gelebt“, so Köhnlein – „und auch unter teils widrigen Umständen als Forscher und Atomenergie-Kritiker Haltung bewahrt.“
(Mit diesem Bericht setzt der Alumni-Verein „MedAlum“ der Medizinischen Fakultät Münster seine Reihe von Porträts ungewöhnlicher „Ehemaliger“ fort. Die Hinweise stammen aus dem Absolventenregister von MedAlum.)
Die Studien, die diese Überzeugung in ihm reifen ließen, führte Köhnlein, der im Mai seinen 80. Geburtstag feierte, teilweise in Laboren der Universität Münster durch. 1967 verschlug es ihn nach seinem Studium der Mathematik und Physik in Karlsruhe und Heidelberg ins Münsterland. Zuvor hatte er als frisch promovierter Physiker außerdem bereits an der renommierten Yale Universität in New Haven, USA, gearbeitet. In Münster habilitierte er sich zunächst im Fach Strahlenbiologie und Biophysik und wurde 1975 als Professor an das Institut für Strahlenbiologie der Medizinischen Fakultät berufen. Der Universität Münster blieb Köhnlein 30 Jahre lang treu, privat allerdings wurde Havixbeck zu seiner Heimat und der Höhenzug der Baumberge damit zum Nachbarn.
Schon während seines USA-Aufenthaltes begann er, sich damit auseinanderzusetzen, wie Überlebende von Atomunfällen weiterleben – und stellte dabei mit amerikanischen Kollegen fest, dass viele Daten nicht ausreichend ausgewertet wurden. „Die vorherrschende Lehrmeinung war damals, dass kleine Strahlendosen keine Auswirkungen haben. Daher wurden vor allem die hoch Strahlungsbelasteten intensiv untersucht und die vielen Menschen, die geringer Strahlung ausgesetzt waren, nicht beachtet“, berichtet Köhnlein. In Münster setzte er seine Forschungen auf diesem Gebiet fort und wurde so immer mehr zu einem harten Kritiker der Energiegewinnung aus Atomkraft – auch bedingt durch die Reaktorunfälle in Harrisburg und Tschernobyl. Letzteren Ort besuchte er mehrfach und untersuchte die dortige Bevölkerung auf Rückstände atomarer Strahlung.
Anfang der 1990er Jahre dann veröffentlichte Köhnlein gemeinsam mit dem Kernphysiker Rudi Nussbaum eine bahnbrechende Studie, in der die beiden Autoren nachwiesen, dass auch kleine Dosierungen atomarer Strahlung das Krebsrisiko um den Faktor 10 steigen lassen. „Daraufhin entbrannte ein Streit zwischen Nuklearmedizinern, Radiologen und Strahlenbiologen über die Gefährlichkeit von Niedrigstrahlung“, erinnert sich Köhnlein, „und ich wurde teilweise sehr scharf kritisiert.“ Dennoch habe sich der Einsatz gelohnt: Beispielsweise werde bei Röntgenuntersuchungen heute darauf geachtet, dass die Patienten so wenig wie möglich bestrahlt werden.
Auch im privaten Bereich suchte Köhnlein nun nach Alternativen zum Strom aus Atomkraft: Gemeinsam mit Gleichgesinnten initiierte er 1993 den Bau der ersten modernen Windkraftanlagen des westlichen Münsterlands. Auf den Baumbergen nahe Havixbeck drehen sich heute diese Windräder und speisen pro Jahr rund 1,5 Gigawatt Strom ins öffentliche Netz ein. „Darauf bin ich besonders stolz“, so Köhnlein. „Und auch wenn sich die Investition für die Anleger von damals heute noch rentiert, steht für mich etwas anderes im Vordergrund, nämlich die Verantwortung für nachfolgende Generationen, zum Beispiel meine eigenen Kinder und Enkel“, so Köhnlein.
Aber nicht nur lokal, sondern auch auf deutschlandweiter und internationaler Ebene engagierte sich Köhnlein: So wurde er 1999 von der Bundesregierung in die Deutsche Strahlenschutzkommission berufen, die er zeitweise stellvertretend leitete, und war fünf Jahre lang Mitglied der Strahlenschutzkommission der Vereinten Nationen (UNSCEAR). 2009 bekam er für sein Engagement im Umweltschutz das Bundesverdienstkreuz.
Während dieser gesamten Zeit arbeitete er weiterhin als Professor in Münster und leitete bis zu seiner Emeritierung 1997 drei Jahre lang das Institut für Strahlenbiologie. „Hier erinnere ich mich besonders an die Freiheiten, die ein universitäres Umfeld bietet“, schildert Köhnlein: „Selbst wenn Differenzen bei einem solch sensiblen Thema nicht ausbleiben können, ging es doch immer um die Sache und ich habe sehr gerne hier gearbeitet“.
So blickt der 80-Jährige auf ein erfülltes Leben sowohl in beruflicher als auch privater Hinsicht zurück: „Wirklich traurig ist nur, dass meine Frau so früh gehen musste“, sagt er wehmütig. Ebenso wie ihr Mann war Lieselotte Köhnlein Trägerin des Bundesverdienstkreuzes, sie starb 2008 an Krebs. „Insgesamt habe ich aber viel Glück gehabt und intensiv gelebt“, so Köhnlein – „und auch unter teils widrigen Umständen als Forscher und Atomenergie-Kritiker Haltung bewahrt.“
(Mit diesem Bericht setzt der Alumni-Verein „MedAlum“ der Medizinischen Fakultät Münster seine Reihe von Porträts ungewöhnlicher „Ehemaliger“ fort. Die Hinweise stammen aus dem Absolventenregister von MedAlum.)