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Therapie der leisen Töne: Probelauf für Musiktraining bei Hörsturz
Münster (mfm/tb) – Nach der Ferienzeit scheint es eine Häufung zu geben und vor Weih-nachten auch. Für Dr. Hidehiko Okamoto keine Überraschung: „Der Hörsturz tritt offenbar dann vermehrt auf, wenn Menschen sich in einer Stressphase befinden, also wenn sie zum Beispiel nach dem Urlaub einen übervollen Schreibtisch vorfinden“. Gemeinsam mit seinen Kollegen arbeitet der japanische Forscher am Institut für Biomagnetismus und Biosignalanalyse (IBB) der Universität Münster an einer neurowissenschaftlichen Studie zum Erkrankungsbild Hörsturz. Damit soll eine neuartige Behandlungsmethode entwickelt und auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden.
Symptome des Hörsturzes sind eine plötzlich eintretende, einseitige Schwerhörigkeit, die oft mit Ohrgeräuschen, dem so genannten Tinnitus, verbunden ist, dazu Schwindel sowie das Gefühl, „Watte im Ohr“ zu haben. Bei der neuen Therapieform wird den Patienten zusätzlich zur Standardbehandlung mit Medikamenten ein Musiktraining angeboten. Lange sei man davon ausgegangen, dass Ruhe für das betroffene Ohr von Vorteil ist, so Okamoto. „Neuere Studien haben aber im Tierversuch gezeigt, dass das Gegenteil der Fall sein könnte: Kat-zen, die einen Hörsturz erlitten hatten, erholten sich deutlich besser vom Hörverlust, wenn sie nach dem Hörsturz intensiv mit Tönen moderater Lautstärke stimuliert wurden, als wenn sie in einer völlig stillen Umgebung lebten“, berichtet der HNO-Arzt.
Eine Gefahr beim Hörsturz ist, dass sich das Gehirn aufgrund der fehlenden Höreindrücke aus dem erkrankten Ohr „umorganisiert“: Beispielsweise bekommen diejenigen Nervenzel-len, die für die Verarbeitung der hohen Töne zuständig sind, nach einem Hörverlust in die-sem Frequenzbereich plötzlich keine Signale mehr aus dem erkrankten Ohr. Nach kurzer Zeit übernehmen sie dann die Verarbeitung anderer Tonhöhen. Diese Veränderungen im Gehirn tragen dazu bei, dass der Hörverlust chronisch wird. Und sehr häufig entwickelt sich als Folge ein dauerhafter Tinnitus, der für die Betroffenen eine deutliche Einbuße an Le-bensqualität mit sich bringt.
„In einer der besagten Studien konnte nachgewiesen werden, dass sich durch die akustische Stimulation eine solche unvorteilhafte Umorganisation des Gehirns verhindern lässt.“, erläutert Dr. Okamoto. Sein Forscherteam will diese Erkenntnisse aus der neurowissen-schaftlichen Grundlagenforschung nun in einem neuen und viel versprechenden Behandlungskonzept umsetzen. Hierbei arbeitet das IBB eng mit HNO-Praxen in Münster und Um-gebung zusammen: Sie identifizieren Hörsturzpatienten als mögliche Studienteilnehmer und übernehmen die medikamentöse Behandlung.
„An unserem Institut werden dann noch zusätzliche Untersuchungen gemacht. Das Musiktraining selbst können die Patienten zu Hause durchführen; die benötigten Geräte stellen wir zur Verfügung“, so Okamoto. Zusätzlich zu Hörtest und Sprachverständnistest wird mittels Magnetenzephalographie (MEG) im IBB auch die Gehirnaktivität der Patienten gemessen. Diese normalisiert sich bei der Erholung vom Hörverlust wieder.
Nach Auswertung aller Untersuchungsergebnisse wird feststehen, inwieweit sich die Hoff-nung der IBB-Forscher auf Wirksamkeit des neuen Musiktrainings erfüllt. Dass deren Ansatz viel versprechend ist, sieht auch die „Tinnitus Research Initiative“ (TRI) so, eine international tätige Organisation, die die Erforschung von Tinnitus und verwandten Krankheitsbildern vo-rantreibt: Sie unterstützt das Forschungsprojekt aus Münster finanziell über einen Zeitraum von drei Jahren.
„Der Hörverlust allein ist für die Betroffenen schon schlimm genug. Wenn sich dazu auch noch ein chronischer Tinnitus entwickelt, kann das zu einem ein Höchstmaß an psychischer Belastung führen. Daher ist Prävention hier äußerst wichtig“, betont Okamoto. Nähere Informationen zur Studie sowie eine Liste der teilnehmenden HNO-Praxen erhalten Interes-senten im Internet (www.hoersturz.uni-muenster.de) und beim IBB (Tel. 0251-8352462).
Hörsturz-Studie des IBB