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Vielfach geehrt und doch vergessen: Das „Domagk-Jahr 2014“ erinnert an den großen Forscher und Nobelpreisträger
Münster (mfm/tb) - Mindestens zwei Dutzend Städte haben - wie Münster - Straßen nach ihm benannt. Jenseits der Fachkreise aber ist er dennoch weitgehend unbekannt. Was ebenso unverständlich wie unverdient ist, denn Gerhard Domagk, der große Pathologe und Bakteriologe, rettete mit seinen Forschungen Millionen Menschen das Leben. Nur wenige der Spaziergänger in „seinen“ Straßen dürften wissen, dass er die Sulfonamide – einen Vorläufer von Antibiotika wie dem Penicillin - entdeckte und als „Sieger über die Tuberkulose“ gefeiert wurde. An letzterer starb noch um 1900 jeder siebte Mensch.
Es wäre an der Zeit, den einzigen Nobelpreisträger, den die Universität Münster bisher hervorgebracht hat, ins öffentliche Bewusstsein zurückzuholen – und das Jahr 2014 eignet sich dafür wie kein anderes: Domagk starb vor genau 50 Jahren. Den Nobelpreis erhielt er 1939 - noch ein rundes Gedenkdatum. Einbeziehen ließe sich ein dritter Anlass: Vor hundert Jahren begann der Erste Weltkrieg, und dieses Völkergemetzel hat viel mit Domagks Biografie zu tun. Sein Einsatz als Sanitäter und eine eigene Verwundung ließen in ihm den Wunsch reifen, Schicksale vermeiden zu helfen, die er täglich selbst erlebte. Im nächsten großen Krieg blieben vielen Soldaten Wundinfektionen, Gasbrand und Amputationen dank den Sulfonamiden erspart.
Zur Erinnerung an Domagk und sein Werk hat die Medizinische Fakultät als akademische Heimat des vielfach Ausgezeichneten ein „Domagk-Jahr 2014“ in Münster initiiert. Unter Federführung der Arbeitsstelle Forschungsstelle der WWU und in Kooperation mit dem Universitätsklinikum sowie weiteren Partnern ist daraus ein Programm geworden, das weit mehr als „nur“ Historie bietet. Ausgehend von Leben und Werk Domagks schlagen die einzelnen Komponenten zugleich eine Brücke zur heutigen medizinischen Forschung und zur Krankenversorgung.
Ankerpunkt ist – was auch sonst? – die Domagkstraße, wo Ende April eine Außenausstellung aufgebaut und bis zum Herbst zu sehen sein wird. Auf einem Dutzend großer Infowände ist die Lebensgeschichte des großen Mediziners nachzulesen, ergänzt durch Informationen über die heutige Arbeit der Einrichtungen, in deren „Vorgärten“ die Tafeln stehen. Der Endpunkt am Gerhard-Domagk-Institut für Pathologie leitet zu einer zweiten Ausstellung über: Im Foyer des Instituts werden seltene Exponate gezeigt, darunter der Frack, den er bei der Nobelpreis-Verleihung trug. Viele wertvolle Schaustücke steuert das Archiv der Firma Bayer bei, die Partner des Gedenkjahres ist.
Eine Brücke zur Gegenwart schlagen auch die Vorträge, die die beiden Ausstellungen während der gesamten Laufzeit begleiten: Im PAN-Zentrum läuft im Sommer zusätzlich die Kunstausstellung „An-a-Tomie – Einblicke in den Körper“. Und am 14. September stellt das Institut für Pathologie sich und seine Arbeit mit einem „Tag der Offenen Tür“ vor. Damit nicht genug: In einem Kunstprojekt setzt Dipl-Des. Hermann Dornhege, Professor für Mediendesign an der FH Münster, „24 Stunden Domagkstraße“ in Fotos um. Auch diese Aufnahmen werden in der Pathologie gezeigt, danach vielleicht – die Planungen laufen noch – ebenfalls entlang der Domagkstraße.
Tipp: Die einzelnen Veranstaltungen des Domagk-Jahres 2014 finden Sie im Programmheft und im Veranstaltungskalender der Medizinischen Fakultät (in letzterem einfach auf das vorangestellte Domagk-Foto achten).
Zur Biografie von Gerhard Domagk:
Domagks Lebensweg begann in Lagow, einer brandenburgischen, heute polnischen Kleinstadt, wo er am 30. Oktober 1895 geboren wurde. Nach dem Schulbesuch nahm er ein Medizinstudium in Kiel auf, das er kriegsbedingt erst 1921 beenden konnte. Nach ersten Berufsstationen in Kiel und Greifswald folgte Domagk seinem Chef Prof. Walter Gross 1925 an die gerade in Wiedergründung befindliche Medizinische Fakultät der Universität Münster. Inzwischen habilitiert, forschte er ab 1929 - zumeist im Werk Wuppertal-Elberfeld der Bayer-Werke - an der Bekämpfung bakterieller Infektionen und entdeckte dabei die Wirkung des Sulfonamid-Farbstoffs Prontosil. Seine bahnbrechenden Ergebnisse, umgehend eingeführt in die Therapie, gingen um die Welt. Prontosil revolutionierte die antibakterielle Chemotherapie, endlich hatte die Medizin nun eine starke Waffe im Kampf gegen die Infektionskrankheiten.1939 wurde Domagk dafür der Nobelpreis verliehen
Oder besser gesagt: zugesprochen. Denn „verliehen“ im Sinne von „übergeben“ werden konnte Domagk der Preis erst 1947. Nach dem Friedensnobelpreis an den Regimegegner Carl von Ossietzky - eine Blamage für die NS-Diktatur - hatte Hitler 1937 allen „Reichsdeutschen“ verboten, einen Nobelpreis anzunehmen. Die Reise nach Stockholm entfiel – und damit auch das hohe Preisgeld. Denn nach den Stiftungsstatuten hätten die 100.000 Reichsmark binnen eines Jahres ausgehändigt werden müssen – Domagk blieben nur Urkunde und Medaille.
Weder die Restriktionen des NS-Staates – dem er kritisch gegenüberstand – noch der Verlust der Bayer-Patente (die nach dem verlorenen Krieg als „Beutegut“ der Alliierten galten) aber konnten Domagks Forscherdrang bremsen. Nach den ermutigenden Erfolgen in der antibakteriellen Chemotherapie legte er seinen Fokus auf den Kampf gegen die Tuberkulose. Nachdem schon 1943 seiner Forschergruppe die Entdeckung eines wirkungsvollen Tuberkulosemittels gelungen war, konnte dieses in den Nachkriegswirren mit ihrer dramatisch steigenden Zahl Infizierter viel Leid verhindern. 1946 erreichte Domagk in der Klinik Hornheide die erste Dauerheilung einer Tuberkulose (Lungentuberkulose) in Deutschland; in den 50-er Jahren entwickelte er eine gut verträgliche Kombination von drei Präparaten, die zur Standardtherapie bei der Lungentuberkulose avanciert.
Als nächsten Gegner fasste Domagk den Krebs ins Auge. Größere Erfolge bei dieser Krankheit waren ihm nicht mehr vergönnt: Am 24. April 1964 starb er im Alter von 68 Jahren an einer Gallenwegsinfektion; sein Grab befindet sich auf dem münsterschen Waldfriedhof Laufheide.
Es wäre an der Zeit, den einzigen Nobelpreisträger, den die Universität Münster bisher hervorgebracht hat, ins öffentliche Bewusstsein zurückzuholen – und das Jahr 2014 eignet sich dafür wie kein anderes: Domagk starb vor genau 50 Jahren. Den Nobelpreis erhielt er 1939 - noch ein rundes Gedenkdatum. Einbeziehen ließe sich ein dritter Anlass: Vor hundert Jahren begann der Erste Weltkrieg, und dieses Völkergemetzel hat viel mit Domagks Biografie zu tun. Sein Einsatz als Sanitäter und eine eigene Verwundung ließen in ihm den Wunsch reifen, Schicksale vermeiden zu helfen, die er täglich selbst erlebte. Im nächsten großen Krieg blieben vielen Soldaten Wundinfektionen, Gasbrand und Amputationen dank den Sulfonamiden erspart.
Zur Erinnerung an Domagk und sein Werk hat die Medizinische Fakultät als akademische Heimat des vielfach Ausgezeichneten ein „Domagk-Jahr 2014“ in Münster initiiert. Unter Federführung der Arbeitsstelle Forschungsstelle der WWU und in Kooperation mit dem Universitätsklinikum sowie weiteren Partnern ist daraus ein Programm geworden, das weit mehr als „nur“ Historie bietet. Ausgehend von Leben und Werk Domagks schlagen die einzelnen Komponenten zugleich eine Brücke zur heutigen medizinischen Forschung und zur Krankenversorgung.
Ankerpunkt ist – was auch sonst? – die Domagkstraße, wo Ende April eine Außenausstellung aufgebaut und bis zum Herbst zu sehen sein wird. Auf einem Dutzend großer Infowände ist die Lebensgeschichte des großen Mediziners nachzulesen, ergänzt durch Informationen über die heutige Arbeit der Einrichtungen, in deren „Vorgärten“ die Tafeln stehen. Der Endpunkt am Gerhard-Domagk-Institut für Pathologie leitet zu einer zweiten Ausstellung über: Im Foyer des Instituts werden seltene Exponate gezeigt, darunter der Frack, den er bei der Nobelpreis-Verleihung trug. Viele wertvolle Schaustücke steuert das Archiv der Firma Bayer bei, die Partner des Gedenkjahres ist.
Eine Brücke zur Gegenwart schlagen auch die Vorträge, die die beiden Ausstellungen während der gesamten Laufzeit begleiten: Im PAN-Zentrum läuft im Sommer zusätzlich die Kunstausstellung „An-a-Tomie – Einblicke in den Körper“. Und am 14. September stellt das Institut für Pathologie sich und seine Arbeit mit einem „Tag der Offenen Tür“ vor. Damit nicht genug: In einem Kunstprojekt setzt Dipl-Des. Hermann Dornhege, Professor für Mediendesign an der FH Münster, „24 Stunden Domagkstraße“ in Fotos um. Auch diese Aufnahmen werden in der Pathologie gezeigt, danach vielleicht – die Planungen laufen noch – ebenfalls entlang der Domagkstraße.
Tipp: Die einzelnen Veranstaltungen des Domagk-Jahres 2014 finden Sie im Programmheft und im Veranstaltungskalender der Medizinischen Fakultät (in letzterem einfach auf das vorangestellte Domagk-Foto achten).
Zur Biografie von Gerhard Domagk:
Domagks Lebensweg begann in Lagow, einer brandenburgischen, heute polnischen Kleinstadt, wo er am 30. Oktober 1895 geboren wurde. Nach dem Schulbesuch nahm er ein Medizinstudium in Kiel auf, das er kriegsbedingt erst 1921 beenden konnte. Nach ersten Berufsstationen in Kiel und Greifswald folgte Domagk seinem Chef Prof. Walter Gross 1925 an die gerade in Wiedergründung befindliche Medizinische Fakultät der Universität Münster. Inzwischen habilitiert, forschte er ab 1929 - zumeist im Werk Wuppertal-Elberfeld der Bayer-Werke - an der Bekämpfung bakterieller Infektionen und entdeckte dabei die Wirkung des Sulfonamid-Farbstoffs Prontosil. Seine bahnbrechenden Ergebnisse, umgehend eingeführt in die Therapie, gingen um die Welt. Prontosil revolutionierte die antibakterielle Chemotherapie, endlich hatte die Medizin nun eine starke Waffe im Kampf gegen die Infektionskrankheiten.1939 wurde Domagk dafür der Nobelpreis verliehen
Oder besser gesagt: zugesprochen. Denn „verliehen“ im Sinne von „übergeben“ werden konnte Domagk der Preis erst 1947. Nach dem Friedensnobelpreis an den Regimegegner Carl von Ossietzky - eine Blamage für die NS-Diktatur - hatte Hitler 1937 allen „Reichsdeutschen“ verboten, einen Nobelpreis anzunehmen. Die Reise nach Stockholm entfiel – und damit auch das hohe Preisgeld. Denn nach den Stiftungsstatuten hätten die 100.000 Reichsmark binnen eines Jahres ausgehändigt werden müssen – Domagk blieben nur Urkunde und Medaille.
Weder die Restriktionen des NS-Staates – dem er kritisch gegenüberstand – noch der Verlust der Bayer-Patente (die nach dem verlorenen Krieg als „Beutegut“ der Alliierten galten) aber konnten Domagks Forscherdrang bremsen. Nach den ermutigenden Erfolgen in der antibakteriellen Chemotherapie legte er seinen Fokus auf den Kampf gegen die Tuberkulose. Nachdem schon 1943 seiner Forschergruppe die Entdeckung eines wirkungsvollen Tuberkulosemittels gelungen war, konnte dieses in den Nachkriegswirren mit ihrer dramatisch steigenden Zahl Infizierter viel Leid verhindern. 1946 erreichte Domagk in der Klinik Hornheide die erste Dauerheilung einer Tuberkulose (Lungentuberkulose) in Deutschland; in den 50-er Jahren entwickelte er eine gut verträgliche Kombination von drei Präparaten, die zur Standardtherapie bei der Lungentuberkulose avanciert.
Als nächsten Gegner fasste Domagk den Krebs ins Auge. Größere Erfolge bei dieser Krankheit waren ihm nicht mehr vergönnt: Am 24. April 1964 starb er im Alter von 68 Jahren an einer Gallenwegsinfektion; sein Grab befindet sich auf dem münsterschen Waldfriedhof Laufheide.