Zwischen Gerichtssaal und Patientengespräch: Deutschlands gefragtester Kriminalpsychiater studierte Medizin an der WWU
Münster (mfm/mk) – Prof. Hans-Ludwig Kröber denkt gern an seine Studienzeit in Münster zurück – nicht selbstverständlich für einen Bielefelder. Schließlich hegen beide Städte nicht nur fußballerisch eine Rivalität. Eigentlich hatte er in den Süden gewollt: „Nach Freiburg, da war es warm und regnete kaum“. Nur: Dort lag der Numerus Clausus bei 1,3. In Münster wurde Kröber (Abi-Schnitt, als Klassenbester: 2,3) zum Medizinstudium zugelassen – mittlerweile leitet er die Forensische Psychiatrie an der Charité in Berlin und begleitet als forensischer Psychiater Aufsehen erregende Kriminalfälle.
Kröber, der 1951 in Bielefeld geboren wurde und dort in der Anstalt Bethel aufwuchs, kam im Sommer 1970 - nach einem Wartesemester Physik - an die Medizinische Fakultät der Universität Münster. Hier promovierte er zehn Jahre später auch, arbeitete damals aber schon in der psychiatrischen Klinik Gilead in Bethel. „Ich habe gute Erinnerungen an Münster“, sagt Kröber und berichtet von seiner Zeit als passionierter Speckbrettspieler sowie vom ständigen Verkehrschaos in der Stadt. „Ich hatte ein beschwingtes Studentenleben, war aber auch politisch aktiv“, erzählt Kröber. Drei Jahre lang, bis zum Staatsexamen 1977, war er im Kommunistischen Bund Westdeutschland aktiv. Nach seiner Promotion 1980 habe er sich gesagt „Nie mehr Wissenschaft, jetzt will ich klinischer Psychiater werden!“
Während Kröber als Assistenzarzt in Bethel arbeitete, begann er, psychiatrische Gutachten anzufertigen – wie er sagt, aus ganz pragmatischen Gründen: „Ich brauchte damals für meine Familie mehr Geld.“ Über Rentengutachten landete er dann bei Gewalttätern und Sexualstraftätern und entdeckte die Forensik als „interessante Erweiterung des psychiatrischen Spektrums“. Nach seinem Wechsel an die Uniklinik Heidelberg 1984 verfolgte Kröber dieses Interesse weiter und teilte seine Arbeit in psychiatrische Ambulanz und Forensik auf. „Das war für mich die ideale Kombination zwischen Gerichtssaal und Patientengespräch.“
Nach seiner Heidelberger Habilitation über Einflüsse auf die Rückfälligkeit Manisch-Depressiver ging Kröber 1994 als Professor für Klinische Psychiatrie an die Uniklinik Hamburg-Eppendorf, machte Pause mit der Forensik. Aber zwei Jahre später folgte der Wechsel an die Freie Universität Berlin, wo er seit 1996 das Institut für Forensische Psychiatrie leitet, das 2003 zur Charité kam. Seither wird er als Gutachter zu Kriminalfällen in ganz Deutschland herangezogen.
Über seine Tätigkeit sagt er, dass die meisten seiner Fälle sehr interessant seien – „die öffentliche Wahrnehmung ist aber in vielen Fällen sehr seltsam“, so Kröber. „So erhält ein aus psychiatrischer Sicht recht gewöhnliches Thema wie der Fall Kachelmann – Aussage gegen Aussage - ein riesiges Medienecho, andere Fälle hingegen, die beispielsweise wegen der Schuldfähigkeitsfrage überaus spannend sind, sind in der Berichterstattung kaum präsent.“ Ein Fall, an den sich Kröber besonders gut erinnern kann, ist der von zwei 17-jährigen Gymnasiasten, die in ihrem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern ein Nachbar-Ehepaar ermordeten.
Einen der beiden Täter hatte Kröber im Gefängnis zu begutachten. „Eine solche Begutachtung sieht dann so aus, dass ich dem Täter mit Stift und Papier bewaffnet gegenübersitze und versuche, einfach mit ihm zu reden“, erzählt Kröber. „Der Junge war sehr verschlossen und seine ersten Motivschilderungen waren wenig glaubhaft“ so Kröber. Er habe daraufhin die Gesprächsfrequenz auf mehrere pro Woche erhöht und schließlich herausgefunden, dass das wahre Motiv in dem Wunsch der beiden Jungen lag, zu erleben, wie es ist, zu töten.
Was sich für viele Menschen unvorstellbar grausam anhört, ist für Kröber beruflicher Alltag: „Ich weiß, dass mir ein Straftäter gegenübersitzt und ich will herausfinden, welche Gründe er hatte – das Urteilen ist nicht meine Aufgabe.“ Kröber wundert es, wie „selbstgerecht“ die öffentliche Wahrnehmung über Straftäter und psychisch kranke Menschen häufig sei. „Auch diese Menschen brauchen einen Platz in unserer Gesellschaft, auch wenn dies mit großem aufklärerischen Aufwand und vielen Schwierigkeiten verbunden ist“, fordert Kröber. Und er wirbt für Nachdenken über die Täter in seinem 2012 erschienenen Erzählungsband „Mord – Geschichten aus der Wirklichkeit“ (Rowohlt-Verlag).
„Zur Diskussion über Lebenslängliche war ich erst neulich wieder in Münster und habe mich an einer Arbeitsgruppe beim ‚Juratag’ der Fachschaft Jura beteiligt“, berichtet Kröber. Er komme immer wieder gerne nach Münster zurück und treffe dann Freunde aus der Studienzeit. „Das ist immer eine Reise in die Vergangenheit und es ist interessant zu sehen, was sich verändert“, so Kröber – oder eben auch nicht: „Viele der guten Kneipen von früher gibt es ja zum Glück immer noch.“
(Mit diesem Bericht setzt der Alumni-Verein „MedAlum“ der Medizinischen Fakultät Münster seine Reihe von Porträts ungewöhnlicher „Ehemaliger“ fort. Die Hinweise stammen aus dem Absolventenregister von MedAlum.)
Kröber, der 1951 in Bielefeld geboren wurde und dort in der Anstalt Bethel aufwuchs, kam im Sommer 1970 - nach einem Wartesemester Physik - an die Medizinische Fakultät der Universität Münster. Hier promovierte er zehn Jahre später auch, arbeitete damals aber schon in der psychiatrischen Klinik Gilead in Bethel. „Ich habe gute Erinnerungen an Münster“, sagt Kröber und berichtet von seiner Zeit als passionierter Speckbrettspieler sowie vom ständigen Verkehrschaos in der Stadt. „Ich hatte ein beschwingtes Studentenleben, war aber auch politisch aktiv“, erzählt Kröber. Drei Jahre lang, bis zum Staatsexamen 1977, war er im Kommunistischen Bund Westdeutschland aktiv. Nach seiner Promotion 1980 habe er sich gesagt „Nie mehr Wissenschaft, jetzt will ich klinischer Psychiater werden!“
Während Kröber als Assistenzarzt in Bethel arbeitete, begann er, psychiatrische Gutachten anzufertigen – wie er sagt, aus ganz pragmatischen Gründen: „Ich brauchte damals für meine Familie mehr Geld.“ Über Rentengutachten landete er dann bei Gewalttätern und Sexualstraftätern und entdeckte die Forensik als „interessante Erweiterung des psychiatrischen Spektrums“. Nach seinem Wechsel an die Uniklinik Heidelberg 1984 verfolgte Kröber dieses Interesse weiter und teilte seine Arbeit in psychiatrische Ambulanz und Forensik auf. „Das war für mich die ideale Kombination zwischen Gerichtssaal und Patientengespräch.“
Nach seiner Heidelberger Habilitation über Einflüsse auf die Rückfälligkeit Manisch-Depressiver ging Kröber 1994 als Professor für Klinische Psychiatrie an die Uniklinik Hamburg-Eppendorf, machte Pause mit der Forensik. Aber zwei Jahre später folgte der Wechsel an die Freie Universität Berlin, wo er seit 1996 das Institut für Forensische Psychiatrie leitet, das 2003 zur Charité kam. Seither wird er als Gutachter zu Kriminalfällen in ganz Deutschland herangezogen.
Über seine Tätigkeit sagt er, dass die meisten seiner Fälle sehr interessant seien – „die öffentliche Wahrnehmung ist aber in vielen Fällen sehr seltsam“, so Kröber. „So erhält ein aus psychiatrischer Sicht recht gewöhnliches Thema wie der Fall Kachelmann – Aussage gegen Aussage - ein riesiges Medienecho, andere Fälle hingegen, die beispielsweise wegen der Schuldfähigkeitsfrage überaus spannend sind, sind in der Berichterstattung kaum präsent.“ Ein Fall, an den sich Kröber besonders gut erinnern kann, ist der von zwei 17-jährigen Gymnasiasten, die in ihrem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern ein Nachbar-Ehepaar ermordeten.
Einen der beiden Täter hatte Kröber im Gefängnis zu begutachten. „Eine solche Begutachtung sieht dann so aus, dass ich dem Täter mit Stift und Papier bewaffnet gegenübersitze und versuche, einfach mit ihm zu reden“, erzählt Kröber. „Der Junge war sehr verschlossen und seine ersten Motivschilderungen waren wenig glaubhaft“ so Kröber. Er habe daraufhin die Gesprächsfrequenz auf mehrere pro Woche erhöht und schließlich herausgefunden, dass das wahre Motiv in dem Wunsch der beiden Jungen lag, zu erleben, wie es ist, zu töten.
Was sich für viele Menschen unvorstellbar grausam anhört, ist für Kröber beruflicher Alltag: „Ich weiß, dass mir ein Straftäter gegenübersitzt und ich will herausfinden, welche Gründe er hatte – das Urteilen ist nicht meine Aufgabe.“ Kröber wundert es, wie „selbstgerecht“ die öffentliche Wahrnehmung über Straftäter und psychisch kranke Menschen häufig sei. „Auch diese Menschen brauchen einen Platz in unserer Gesellschaft, auch wenn dies mit großem aufklärerischen Aufwand und vielen Schwierigkeiten verbunden ist“, fordert Kröber. Und er wirbt für Nachdenken über die Täter in seinem 2012 erschienenen Erzählungsband „Mord – Geschichten aus der Wirklichkeit“ (Rowohlt-Verlag).
„Zur Diskussion über Lebenslängliche war ich erst neulich wieder in Münster und habe mich an einer Arbeitsgruppe beim ‚Juratag’ der Fachschaft Jura beteiligt“, berichtet Kröber. Er komme immer wieder gerne nach Münster zurück und treffe dann Freunde aus der Studienzeit. „Das ist immer eine Reise in die Vergangenheit und es ist interessant zu sehen, was sich verändert“, so Kröber – oder eben auch nicht: „Viele der guten Kneipen von früher gibt es ja zum Glück immer noch.“
(Mit diesem Bericht setzt der Alumni-Verein „MedAlum“ der Medizinischen Fakultät Münster seine Reihe von Porträts ungewöhnlicher „Ehemaliger“ fort. Die Hinweise stammen aus dem Absolventenregister von MedAlum.)