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Entwicklung einer neuen Systematik für Hirnrhythmen: Joachim Groß erhält Millionenförderung von der DFG
Münster (upm) - Die "Hirnrhythmen" besser verstehen: Um dieses Ziel zu erreichen, fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) Prof. Joachim Groß vom Institut für Biomagnetismus und Biosignalanalyse der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster in den kommenden fünf Jahren mit 1,2 Millionen Euro - sein Projekt trägt den Titel „Eine neue Systematik für Hirnrhythmen in der kognitiven Neurowissenschaft“. Als Teil der DFG-Programmlinie „Reinhart-Koselleck-Projekte“ wird der Forscher rhythmische Schwingungen der Hirnaktivität und deren Funktionen untersuchen. Das Programm ermöglicht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern besonders innovative und im positiven Sinne risikobehaftete Forschung. Vor Groß erhielten erst zwei WWU-Wissenschaftler eine Koselleck-Förderung, darunter Prof. Hans Oberleithner aus der Medizin.
Vor etwa 100 Jahren zeigten die ersten Messungen menschlicher Hirnaktivität starke rhythmische Signalkomponenten. „Wir wissen mittlerweile, dass diese Rhythmen in allen Hirnarealen vorkommen und sensitiv den funktionellen Zustand des Gehirns abbilden – sowohl im gesunden Gehirn als auch bei neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen“, sagt Joachim Groß. Trotz aller Forschung sind immer noch viele Fragen ungeklärt: Welcher Anteil der Hirnaktivität ist rhythmisch? Wie stabil sind Hirnrhythmen über Zeit und Frequenz? Welche Bedeutung trägt die spezifische Wellenform der Hirnaktivität? Was sind die relevanten strukturellen und funktionellen Parameter, die all diese Eigenschaften von Hirnrhythmen bestimmen, und wie hängen diese mit individuellen Persönlichkeitsmerkmalen zusammen? Das sogenannte „T-BraiC“ (a new Taxonomy of Brain rhythms in Cognition) ist ein Forschungsprogramm, um diese Fragen zu bearbeiten. „Ziel des Projekts ist es, Ergebnisse aus verschiedenen wissenschaftlichen Ansätzen zu verwenden, um die bisher vollständigste Systematik von Hirnrhythmen zu erstellen sowie den Zusammenhang mit kognitiven Leistungen und den unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmalen – zu charakterisieren“, fasst Joachim Groß zusammen.
Der Wissenschaftler baut dazu einen neuartigen Datensatz auf. Dabei werden zeitlich und räumlich hochaufgelöste Messungen der Hirnaktivität an 200 Probanden in Ruhe und bei verschiedenen kognitiven Aufgaben mithilfe der Magnetenzephalographie (MEG) und Elektroenzephalographie (EEG) durchgeführt. Die gewonnenen Informationen werden mit bereits existierenden Daten zusammengeführt und anschließend mit numerischen und prädiktiven mathematischen Modellen – sogenannten Vorhersagemodellen – kombiniert. Die Modelle verwenden individuelle hirnanatomische Informationen, um realistische MEG-Signale zu simulieren. „Ein systematischer Vergleich der simulierten und gemessenen Daten ermöglicht Rückschlüsse auf die physiologischen Grundlagen der gemessenen Hirnrhythmen“, erklärt Joachim Groß.
Dieser Ansatz basiert auf neuen Verfahren des maschinellen Lernens und wird in dem Projekt verwendet, um aus Messungen der Hirnaktivität individuelle Persönlichkeitsmerkmale sowie funktionelle Zustände des Gehirns abzubilden. Gemeinsam mit seinen Kollegen hofft er, dass das Projekt die Grundlagen schafft, um Behandlungspläne für bestimmte neurologische und psychiatrische Erkrankungen passgenau und individuell zu erstellen.