Lachen, wenn der Arzt kommt: Lüder Warnken ist Lebensretter auf besonderer Mission
Münster (mfm/mew) – Lassen sich Rettungseinsätze, Extremsituationen und Unfälle mit leichter Unterhaltung verbinden? Lüder Warnken ist davon fest überzeugt – und er weiß, wovon er spricht: Der Mediziner ist als Notarzt nicht nur auf den Straßen, sondern auch in der Comedyszene unterwegs. Dort versucht er mit Humor und Leichtigkeit Menschen die Angst vor dem Notfall zu nehmen und damit Leben zu retten. Inzwischen tritt Warnken, dessen Berufsweg in Münster begann, deutschlandweit mit seiner einzigartigen Bühnenshow „Scheiße, ein Notfall – Lachen. Lernen. Leben retten“ auf.
Mit Geschichten aus dem Alltag eines Notarztes zieht er sein Publikum in den Bann. Aber wie kam Warnken überhaupt dazu, als Arzt auf die Bühne zu gehen? „Während meiner Zeit als Anästhesist an der Uniklinik Münster war ich viel als Notarzt im Rettungsdienst unterwegs, wo wir unglaublicherweise viele lustige Geschichten erleben. Etwas schwarzer Humor muss allerdings dabei sein, um dem naturgemäß ernsten Geschehen etwas Lustiges abzugewinnen“, sagt Warnken schmunzelnd.
Seine Erlebnisse sammelte er und probierte aus, ob auch andere Personen sie witzig finden. „Bei Open-Mics - kleinen Shows, bei denen man sich als Comedian ausprobieren kann - habe ich in Münster mit den Auftritten begonnen, unter anderem im dortigen Theaterpädagogischen Zentrum. Wenn etwas nicht lustig ist, lässt einen das Publikum das gnadenlos spüren. Da möchte man am liebsten spontan zu Staub zerfallen“, erzählt Warnken und lacht.
Über Krankheit und Tod sollte man keine Witze machen? Das sieht der Entertainer anders. Sein Prinzip: „Man kann und darf über alles Witze machen, insofern der Gesamtzusammenhang stimmt. Selbstverständlich mache ich mich in der Show nicht über kranke Menschen lustig. Allerdings kommen auch Geschichten über Reanimationen oder Suizide vor, da kann es sein, dass Personen im Publikum, die damit eigene Erfahrungen gemacht haben, sich mehr getroffen fühlen.“ Letztlich seien die Inhalte aber alle „gut verdaulich“.
Warnkens Bühnenshow basiert auf realen Erlebnissen – auch wenn das ein oder andere hinzugedichtet ist. „Allein deshalb muss ich weiter als Notarzt arbeiten, sonst geht mir ja das Material irgendwann aus“, lächelt der Mediziner. Bei allem Spaß hat Warnkens Programm aber aber einen informativen Kern. Infotainment nennt er seine Kombination aus Spaß und medizinischem Wissen. „Meine Mission ist es, Deutschland zum besten Ersthelfer-Land der Welt zu machen“, lautet Warnkens ambitionierter Plan. In Sachen Erste Hilfe gibt es hierzulande tatsächlich Nachholbedarf: Auch wenn sich die Zahl der Menschen, die im Ernstfall helfen, im letzten Jahrzehnt verdoppelt hat, liegt Deutschland mit einer Quote von 50 Prozent noch immer weit hinter skandinavischen Ländern mit Werten um die 70 Prozent.
Der Notarzt vermutet einen bestimmten Grund: „Die meisten machen einmal im Leben - für den Führerschein - einen Erste-Hilfe-Kurs. Der ist oft langweilig und vermittelt, dass man einen Haufen Diagnosen kennen muss, um richtig zu helfen. Viele Menschen haben dann keine Lust mehr, einen weiteren Kurs zu absolvieren und trauen sich im Ernstfall nicht zu helfen.“ Seine Show, so Warnken, könne zwar ein mehrstündiges Notfalltraining nicht ersetzen, aber: „Sie führt oft zu dem Aha-Erlebnis, dass Helfen ganz einfach und für jeden machbar ist. Alle Zuschauer in der Halle üben bei der Show einmal zusammen die Herzdruckmassage. Denn nur praktisches Training führt zum Ziel.“
Über die reguläre Show hinaus bietet Warnken mit seiner Firma in Kiel auch Notfalltrainings für Laien, Praxen und Krankenhäuser an und tritt regelmäßig im Fernsehen auf. Nebenher produziert das Multitalent auch Filme. Unter anderem der Imagefilm der Uniklinik Münster, aber auch Videos für den Notfallkurs der Medizinstudierenden in Münster, wurden von ihm gedreht. Auch als Autor ist er aktiv: Im Juni 2024 erscheint sein Buch „Scheiße, ein Notfall“ im Riva-Verlag.
Dass er irgendwann Medizin studieren würde, hätte Warnken nicht gedacht. Ein Freiwilliges Soziales Jahr im Pflegedienst inspirierte ihn dazu, eine Ausbilung zum Rettungsassistenten zu absolvieren. „Nach der Ausbildung ging es für mich in die USA, wo ich den amerikanischen ‚Paramedic‘ gemacht habe. Da es dort keine Notärzte auf der Straße gibt, hat man als Paramedic deutlich mehr Aufgaben als das nichtärztliche Rettungsdienstpersonal in Deutschland. Da ich diese zusätzlichen Kompetenzen nach der Rückkehr nicht missen wollte, dachte ich mir: Na gut, dann studiere ich halt noch Medizin und werde Notarzt“, erzählt der gebürtige Bremer.
Seine Verbindung zu Münster begann nach dem Studium in Erlangen und Lübeck: Ab 2012 arbeitete er in der Anästhesie und Intensivmedizin der münsterschen Uniklinik. Mit dem Start der Comedy-Karriere wurde immer deutlicher, dass trotzdem noch etwas fehlte, um als Arzt (an)erkannt zu werden. „Die Leute glauben oft erst einmal nicht, dass ich wirklich Mediziner bin. Deshalb dachte ich mir, der ‚Doktor‘ muss her, der schafft Glaubwürdigkeit.“ Wie nicht anders zu erwarten, wählte Warnken ein notfallmedizinisches Thema für seine Promotion, die er 2022 mit „sehr guter“ Note an der Medizinischen Fakultät der Universität Münster abschloss. „Ich habe untersucht, ob der Einsatz eines sogenannten Notfalldatensatzes im Rettungsdienst die Patientenversorgung beeinflusst. Dieser Datensatz ist elektronisch auf der Gesundheitskarte gespeichert und enthält Informationen über wichtige Vorerkrankungen, Allergien etc. Unsere Studie hat ergeben, dass bei Nutzung des Datensatzes signifikant häufiger die genannten Punkte am Einsatzort berücksichtigt und in der Notaufnahme korrekt weitergegeben werden konnten. Leider gibt es aktuell trotzdem keine Möglichkeit, am Einsatzort auf den Notfalldatensatz zuzugreifen, weil die Lesegeräte in den Einsatzwagen nicht finanziert werden,“ bedauert der inzwischen in Hamburg lebende Mediziner.
Für Lüder Warnken gleicht das Erreichte einem Traum: „Ich hätte nie gedacht, dass ich irgendwann Notarzt sein würde. Dass ich darüber hinaus mit Comedy meinen Lebensunterhalt verdienen und ausverkaufte Shows in Traditionshäusern wie dem ‚Schmidtchen‘ auf der Reeperbahn geben kann, ist jetzt schon mehr, als ich mir je erträumt habe.“ An einem Ziel aber arbeitet er hartnäckig weiter: Deutschland zum besten Ersthelferland der Welt zu machen. Text: Marie-Elisabeth Wolter
(Mit diesem Bericht setzt der Alumni-Verein „MedAlum“ der Medizinischen Fakultät Münster seine Porträt-Reihe "Köpfe der Fakultät" fort. Mehr zu dem Verein erfahren Sie hier.)