Arbeitsgruppe Lünemann
Kernziel unserer wissenschaftlichen Arbeiten ist das Entschlüsseln und die therapeutische Beeinflussung gestörter regulatorischer immunologischer Netzwerke, die Ursache neurologischer Erkrankungen sind. Wir untersuchen ein breites Krankheitsspektrum, das die Multiple Sklerose (MS), Neuromyelitis optica-Spektrum Erkrankungen einschließlich MOG-Antikörper-assoziierter Störungen, Autoimmunenzephalitiden, immunvermittelte neuromuskuläre Erkrankungen (Myasthenia gravis), entzündliche Myopathien sowie neurodegenerative Erkrankungen umfasst.
Antikörper- und B Zell-vermittelte Mechanismen neurologischer Erkrankungen
ZNS-spezifische Autoantikörper können eine Vielzahl neurologischer Symptome hervorrufen, die von epileptischen Anfällen über Psychosen bis hin zu Demenz reichen. In den vergangenen Jahren konnte eine wachsende Anzahl Enzephalitiden identifiziert werden, die durch Antikörper definiert sind. Aber Antikörper tragen auch zur Pathologie der MS bei und spielen eine Schlüsselrolle bei entzündlichen Erkrankungen des peripheren Nervensystems sowie bei der Myasthenie. Obgleich tierexperimentell per Adoptivtransfer eine Pathogenität für eine Vielzahl dieser Antikörper-Spezies belegt ist, sind die Mechanismen, nach denen sie Pathogenität auslösen oder vorantreiben, nur sehr unvollständig verstanden. Wir untersuchen Zielspezifitäten und Effektorfunktionen pathogener Antikörper bei neurologischen Erkrankungen. Eine gestörte B-Zell-Toleranz und das Auftreten aktivierter Zellen der B-Zell-Linie sind Kernmerkmale vieler Autoimmunerkrankungen des Nervensystems. In experimentellen in vivo Modellen und humanem Untersuchungsmaterial einschließlich Einzelzellanalysen untersuchen wir daher Mechanismen der B-Zell-Toleranz, B-Zell-Antigenpräsentation und Interaktionen von B- und T-Zellen bei neurologischen Erkrankungen. Mit diesen Analysen beabsichtigen wir, die Rolle von B-Zell- und Antikörper-vermittelter Gewebeschädigung besser zu verstehen und zielgerichtete Immuntherapien zu finden.
Referenzen
Chuquisana O, Strippel C, Tröscher AM, Baumgartner T, Rácz A, Keller CW, Elger CE, Melzer N, Kovac S, Wiendl H, Bauer J, Lünemann JD (2022) Complement activation contributes to GAD antibody-associated encephalitis. Acta Neuropathol. 144(2): 381-383. IF: 17.1
Keller CW, Chuquisana O, Derdelinckx J, Gross CC, Berger K, Robinson J, Nimmerjahn F, Wiendl H, Willcox N, Lünemann JD (2022) Impaired B Cell Expression of the Inhibitory Fcγ Receptor IIB in Myasthenia Gravis. Ann. Neurol. 92(6):1046-1051. IF: 11.3
Quast I, Keller CW, Maurer MA, Giddens JP, Tackenberg B, Wang LX, Münz C, Nimmerjahn F, Dalakas MC, Lünemann JD (2015) Sialylation of IgG Fc-domain impairs complement-dependent cytotoxicity. J Clin Invest. 125:4160-4170. IF: 19.5
Maurer MA, Rakocevic G, Leung CS, Quast I, Lukačišin M, Goebels N, Münz C, Wardemann H, Dalakas M, Lünemann JD (2012) Rituximab induces sustained reduction of pathogenic B cells in patients with peripheral nervous system autoimmunity. J Clin Invest. 122:1393-1402. IF: 19.5Rolle von Umweltfaktoren, insbesondere Infektionen für ZNS-Autoimmunität
Sowohl genetische als auch Umweltfaktoren tragen zur Entstehung von Autoimmunerkrankungen wie der MS bei. Eine Infektion mit dem γ-Herpesvirus Epstein-Barr-Virus (EBV) zählt zu den stärksten Risikofaktoren. Erhöhte Immunantworten gegenüber dem humanen Zytomegalievirus (HCMV) sind dagegen mit einem günstigeren Verlauf der MS assoziiert. In aktuellen Studien erforschen wir die Bedeutung Zell-intrinsischer Effekte einer EBV- und HCMV-Infektion und die deregulierte Interaktion zwischen infizierten Wirtszellen mit virus-spezifischen T-Zellen für die MS. Adipositas erhöht sowohl das Risiko für die Entwicklung als auch für einen schwereren Verlauf der MS. Hier untersuchen wir den Einfluss metabolischer Parameter einschließlich Adipokinen in Zellkultursystemen des ZNS. Ziel dieser Studien ist ein besseres Verständnis der Rolle nicht-genetischer und die Identifizierung modifizierbarer Risikofaktoren für die Entstehung und Progression der MS.
Referenzen
Lutfullin I, Eveslage M, Bittner S, Antony G, Flaskamp M, Luessi F, Salmen A, Gisevius B, Klotz L, Korsukewitz C, Berthele A, Groppa S, Then Bergh F, Wildemann B, Bayas A, Tumani H, Meuth SG, Trebst C, Zettl UK, Paul F, Heesen C, Kuempfel T, Gold R, Hemmer B, Zipp F, Wiendl H, Lünemann JD, German Competence Network Multiple Sclerosis (KKNMS) (2022) Association of obesity with disease outcome in multiple sclerosis. J Neurol Neurosurg Psychiatry. doi: 10.1136/jnnp-2022-329685. (Epub 2022 Nov 1) IF: 13.7Comabella M, Tintore M, Sao Avilés A, Carbonell-Mirabent P, Malhotra S, Rovira A, Fissolo N, Lünemann JD, Montalban X (2022) Increased cytomegalovirus immune responses at disease onset are protective in the long-term prognosis of patients with multiple sclerosis. J Neurol Neurosurg Psychiatry. doi: 10.1136/jnnp-2022-330205. (Epub 2022 Nov 7) IF: 13.7
Ascherio A, Munger KL, Lünemann JD (2012) The initiation and prevention of Multiple Sclerosis. Nat Rev Neurol. 8(11):602-12. IF: 42.9
Lünemann JD, Jelcic I, Roberts S, Lutterotti A, Tackenberg B, Martin R, Münz C (2008) EBNA1-Specific T Cells From Patients With Multiple Sclerosis Cross-React With Myelin Antigen And Co-Produce IFN-gamma and IL-2. J Exp Med. 205(8):1763-73. IF: 17.6Regulation von Gliazellaktivierung bei entzündlichen ZNS-Erkrakungen
Mikroglia sind ZNS-residente myeloide Immunzellen, die eine Schlüsselfunktion für die Entwicklung, Physiologie und Homöostase des zentralen Nervensystems einnehmen. Eine chronische Aktivierung von Mikrogliazellen ist ein charakteristisches Merkmal vieler ZNS-Erkrankungen. Ineffiziente Degradation von aggregierten Proteinstrukturen bei neurodegenerativen Erkrankungsmodellen oder Zelldebris bei demyelinisierenden Erkrankungen verstärken die pathogene Funktion von Mikroglia. In induzierbar transgenen Tiermodellen untersuchen wir systematisch die Funktion Proteinen in Mikroglia und Astrozyten, die mit Phagozytose und Autophagie assoziiert sind. So wollen wir die Funktion von Gliazellen im Immunsystem bei entzündlicher Gewebeschädigung des ZNS besser verstehen sowie Zielproteinen und molekularen Netzwerken zur Entwicklung effektiver Behandlungsstrategien identifizieren.
Referenzen
Srimat Kandadai K, Kotur MB, Dokalis N, Amrein I, Keller CW, Münz C, Wolfer D, Prinz M, Lünemann JD (2021) ATG5 in microglia does not contribute vitally to autoimmune neuroinflammation in mice. Autophagy. 17(11): 3566-3576. IF: 16.0
Keller CW, Münz C, Lünemann JD (2020) Autophagy Pathways in CNS Myeloid Cell Immune Functions. Trends Neurosci. 43(12): 1024-1033. IF: 17.4
Keller CW, Kotur MB, Mundt S, Dokalis N, Ligeon LA, Shah AM, Prinz M, Becher B, Münz C, Lünemann JD (2021) CYBB/NOX2 in conventional DCs controls T cell encephalitogenicity during neuroinflammation. Autophagy. 17(5): 1244-1258. IF: 16.0
Keller CW, Sina C, Kotur MB, Ramelli G, Mundt S, Quast I, Ligeon LA, Weber P, Becher B, Münz C, Lünemann JD (2017) ATG-dependent phagocytosis in dendritic cells drives myelin-specific CD4+ T cell pathogenicity during CNS inflammation. Proc Natl Acad Sci U S A. 114(52): E11228-E11237. IF: 12.5Präzisionsmedizin und Therapieentwicklung
Entzündliche Erkrankungen des Nervensystems sind sehr heterogen. Das betrifft sowohl ihre klinische Manifestation, als auch Verlauf und Therapieansprechen. Zugleich verfügen wir über ein wachsendes Arsenal von immuntherapeutischen Optionen, die sich in ihrem Wirkmechanismus voneinander unterscheiden. Je früher wirksame immunprophylaktische Therapien eingesetzt werden, desto nachhaltiger können diese den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen. Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung einer personalisierten, Daten-gesteuerten Präzisionsmedizin ein Kernziel unseres Forschungsprogrammes. Mit ihr lässt sich die Heterogenität neuroimmunologischer Erkrankungen besser verstehen und als Folge können Betroffene möglichst früh im Verlauf eine effektive immuntherapeutische Krankheitskontrolle erreichen. Zur Identifizierung von krankheits- und verlaufs-spezifischen Signaturen integrieren wir digitalisierte demografische, klinische und immunologische hochauflösende, -omics-basierte Parameter mittels komplexer mutivariater Algorithmen, die auf machine learning basieren. Bei ZNS-Erkrankungen, die durch MOG-Antikörper vermittelt werden, konnten wir diesen Ansatz erfolgreich umsetzen und werden ihn nun bei weiteren Erkrankungen des Nervensystems anwenden. In Zusammenarbeit mit weiteren Einrichtungen des UKM sollen frühe innovative Investigator-initiierte Studien der Phasen I und II, beispielsweise zu zell-basierten Therapien bei entzündlichen ZNS Erkrankungen, durchgeführt werden.
ReferenzenRuck T, Nimmerjahn F, Wiendl H, Lünemann JD (2022) Next-generation antibody-based therapies in neurology. Brain. 145 (4): 1229-1241. IF: 15.3
Boligan KF, Oechtering J, Keller CW, Peschke B, Rieben R, Bovin N, Kappos L, Cummings RD, Kuhle J, von Gunten S, Lünemann JD (2020) Xenogeneic Neu5Gc and self-glycan Neu5Ac epitopes are potential immune targets in MS. Neurol Neuroimmunol Neuroinflamm. 7(2): e676. IF: 11.4
Lünemann JD, Ruck T, Muraro PA, Bar-Or A, Wiendl H (2020) Immune reconstitution therapies: concepts for durable remission in multiple sclerosis. Nat Rev Neurol. 16(1): 56-62. IF: 42.9
Lünemann JD*, Wandinger KP*, Wengert O, Bellmann-Strobl J, Aktas O, Weber A, Grundstrom E, Ehrlich S, Wernecke KD, Volk HD, Zipp F (2003) TRAIL as a potential
Förderung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (LU 900/3-1; LU 900/4-1; INST 211/962-2)
Interdisziplinäres Zentrum für Klinische Forschung (IZKF),
Medizinische Fakultät der WWU
Industrie
Kooperationen
- Prof. Harald Neumann (Institut für Rekonstruktive Neurobiologie, Universität Bonn)
- Prof. Falk Nimmerjahn (Department Biologie, Universität Erlangen-Nürnberg)
- Prof. Marco Prinz (Institut für Neuropathologie, Universität Freiburg)
International
- Prof. Manuel Comabella und Prof. Xavier Montalban (MS Zentrum Vall d’Hebron, Autonome Universität Barcelona, Spanien)
- Prof. Marinos Dalakas (Klinik für Neurologie, Thomas Jefferson Universität, Philadelphia, USA)
- Prof. Paul Crocker (Abteilung für Immunologie, Universität zu Dundee, UK)
- Prof. Stephan von Gunten (Institut für Pharmakologie, Universität Bern, Schweiz)
- Prof. Jens Kuhle und Prof. Ludwig Kappos (Klinik für Neurologie, Universitätsspital Basel, Schweiz)
- Prof. Burkhard Becher, Prof. Melanie Greter, Prof. Christian Münz (Institut für Experimentelle Immunologie, Universität Zürich, Schweiz)