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Blinde Passagiere: Münstersche Forscher stellen Studie zur Einfuhr antibiotikaresistenter Keime durch Reisende vor
Münster (mfm/lt) – Aus dem Urlaub bringt man etwas mit nach Hause. Erinnerungen, Souvenirs – und manchmal auch antibiotikaresistente Keime. Jedes Jahr infizieren sich ungefähr 54.000 Deutsche mit antibiotikaresistenten Keimen, ungefähr 2.300 sterben, Tendenz steigend. Nur: Wo und wann ist das Risiko, sich zu infizieren am größten? Eine Forschergruppe mit Wissenschaftlern aus Münster, Berlin und Groningen hat jetzt eine Studie zu der Frage vorgestellt, wann genau sich Auslandsreisende mit den antibiotikaresistenten Keimen infizieren und welche Risikofaktoren besonders gravierend sind.
An der Studie nahmen über 100 Personen teil, die in der deutsch-niederländischen Grenzregion wohnen. Voraussetzung war, dass die Teilnehmer eine Reise nach Afrika, Asien oder Südamerika machten. In diesen Regionen ist die Wahrscheinlichkeit am höchsten, sich mit antiobiotikaresistenten Keimen zu infizieren. Das größte Infektionsrisiko liegt mit 75 Prozent bei Reisen nach Südasien vor, etwa in Ländern wie Indien, Pakistan oder Afghanistan.
Was können Reisende tun, um keine solchen Keime mit nach Hause zu bringen? Prof. Frieder Schaumburg von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster rät vor allem eines: „Es ist unnötig, Angst zu haben“. Wichtig sei die Tatsache, dass die meisten Reisenden nur vorübergehend mit bestimmten antibiotikaresistenten Keimen besiedelt seien. Nach der Reise lägen schon bald keine Infektionen mehr vor. Wer bei guter Gesundheit sei, müsse sein Reiseverhalten nicht unbedingt ändern. Denn auch, wenn sich antibiotikaresistente Keime im Körper eines Menschen befänden, hieße das noch lange nicht, dass diese eine Krankheit auslösen.
Wer allerdings unter einem geschwächten Immunsystem leidet, sollte bei einer Reise höhere Vorsicht walten lassen. Die Risikofaktoren für eine Besiedlung sind keine große Überraschung: Wer eine Reise nach Asien unternimmt, in Süßwasser-Gewässern schwimmt und sich vor allem von Streetfood oder nicht vegetarisch ernährt, läuft eher Gefahr, sich mit antibiotikaresistenten Keimen zu infizieren.
Laut der Studie wurden die meisten Probanden auf ihrer Reise vorübergehend mit Extended-Spectrum-Betalaktamasen (ESBL) besiedelt. Das sind bakterielle Enzyme, die gegen mehrere Antibiotika – beispielsweise gegen Penicilline – resistent und für viele Infektionen verantwortlich sind. Ein Beispiel für ESBL-bildende Keime sind die bekannten Escherichia coli (E. coli). Sie kommen auch bei gesunden Menschen in der Darmflora vor und sind in den meisten Fällen nicht gefährlich. Doch gibt es einige pathogene (krank machende) Stämme, die durchaus Infektionen auslösen können. Vermehrt kam es bei den Probanden auch zu Infektionen mit Carbapenem-resistenten (ColR-GN) oder nicht intrinsisch Colistin-resistenten gramnegativen (ColR-GN) Bakterien. Gramnegativ beschreibt ein diagnostisches Unterscheidungsmerkmal verschiedener Bakterienstämme. Durch die Gramfärbung können Keime als gramnegativ (dünne Zellwände) und grampositiv (dicke Zellwände) klassifiziert werden. Anhand dieser Unterscheidungen leiten sich unterschiedliche Behandlungsmethoden ab.
Bei Carbapenemen und Colistin handelt es sich um sogenannte Antibiotika, die aufgrund ihrer starken Nebenwirkungen nur in wenigen und besonders gefährlichen Fällen von bakteriellen Infektionen verwendet werden sollen. Besonders die vermehrt auftretenden Carbapenem-resistenten Keime stellen Ärzte bei der Behandlung von Infektionen vor Probleme, da diese oft zusammen mit mehreren Resistenzen auftreten.
Die Studie - deren Veröffentlichung in Vorbereitung ist - war Teil des EurHealth1Health-Projektes, das innerhalb des INTERREG-Programms Deutschland-Nederland durchgeführt und durch die Europäische Union, das niederländische Gesundheitsministerium, das NRW-Wirtschaftsministerium sowie die Niedersächsische Staatskanzlei mitfinanziert wird. EurHealth-1Health, das von dem Universitätsklinikum Groningen koordiniert wird, hat zum Ziel, durch grenz- und sektorübergreifende Zusammenarbeit antibiotikaresistente Keime gemeinsam zu bekämpfen und Infektionsprävention zu stärken.